Lernmythen unter der Lupe

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Zu weit verbreiteten Problemen gibt es die meisten Tipps. Daher haben viele Menschen einige schlaue Sprüche zum Thema „Lernen“ auf Lager. Manche davon halten sich schon seit Generationen hartnäckig. Wir haben uns die gängigsten einmal genauer angesehen. An welchen ist etwas dran und welche sind totaler Humbug?

Falsch: Das Buch unter dem Kopfkissen

Besonders in jungen Jahren ist man anfällig für Ratschläge, die auf unerklärbaren Geschehnissen fußen. Haben Sie es aber bis in die Ausbildung geschafft, dürfte Ihnen mittlerweile klar sein, dass das Wissen aus einem Buch nicht einfach über Nacht in Ihren Kopf wandert, wenn es unter dem Kissen liegt. Schade eigentlich.

Wen es aber beruhigt, auf dem Lernstoff zu schlafen, darf das natürlich gerne tun. Denn mit einem entspannten Gefühl schläft es sich wesentlich besser, wodurch die Gehirnleistung am nächsten Tag ebenfalls besser ausfällt.

Wahr: Am Abend lernen

Was tatsächlich über Nacht funktioniert, ist die Verarbeitung im Gehirn. Was man kurz vor dem Einschlafen noch lernt, wird während des Schlafs geordnet, sortiert und logisch verknüpft. Auf diese Weise können Sie sich am nächsten Morgen tatsächlich besser an diese Dinge erinnern.

Das kann allerdings auch nach hinten losgehen: Wenn Sie zu viele aufwühlende Fakten zu sich nehmen und danach ins Bett gehen, schlafen Sie eventuell schlechter. Dabei kann Ihr Kopf nicht so viel Ordnung schaffen und am nächsten Tag sind Sie weder klüger, noch ausgeruhter. Da Sie ohnehin nicht den ganzen Stoff direkt vor dem Schlafengehen büffeln können, kommen Sie um weitere Lernstrategien kaum herum.

Falsch: Mit Auswendiglernen kann man nichts falsch machen

Lernen sollte man immer mit Verstand. Versuchen Sie nämlich, sich jede Silbe ohne logische Verknüpfung einzuprägen, passieren Ihnen wesentlich mehr Fehler. Beim Wiedergeben vertauschen Sie schnell einige Begriffe, verwenden ein ähnlich klingendes Wort oder vergessen einen Teil, ohne dass Ihnen das auffällt.

Haben Sie beim Lernen allerdings schon darauf geachtet, die Fakten in eigenen Worten wiederzugeben, wird Ihr Ergebnis beim Test besser ausfallen. Um Prozesse, Daten oder Regeln selbst formulieren zu können, müssen Sie vorher den wesentlichen Kern verstanden haben. Sollten Sie dann bei einer Prüfung einen Schritt auslassen, wird Ihnen das sicher auffallen. Die Chance, dass Sie diesen Fehler vermeiden können, ist erheblich größer.

Wahr: Aus Fehlern lernt man

Diese Weisheit ist ebenso alt wie wahr. Haben Sie einmal eine Aufgabe vermasselt oder eine Frage falsch beantwortet und ein ähnliches Problem tritt wieder auf, erinnern Sie sich an Ihren Fehler vom letzten Mal. Dazu müssen Sie diesen natürlich vorher berichtigt haben, denn bei diesem Prozess erklären Sie sich den Sachverhalt und stellen Fehlannahmen richtig.

Das setzt allerdings voraus, dass Sie vor einem Test diese Fehler auch begangen haben. Und das heißt nichts anderes, als üben, üben, üben.

Falsch: Unter Druck ist der Lernerfolg größer

Einer der größten Mythen überhaupt ist der angeblich gigantische Lernerfolg unter Zeitdruck. Wie diese Meinung zustande kommt, ist leicht erklärt: Der Lernende drückt sich so lange erfolgreich vor dem Büffeln, bis der Tag vor der Prüfung da ist und er Panik bekommt, weil er noch nichts dafür getan hat. Nun endlich nimmt er sich den Stoff vor und versucht, in kürzester Zeit alles Wichtige in seinen Kopf zu bekommen.

Was also stimmt, ist die Tatsache, dass er unter Druck definitiv mehr geleistet hat, als in entspannten Phasen. Dennoch ist sein Vorgehen extrem uneffektiv.

Was nämlich hinterher fehlt, sind die logischen Verknüpfungen der aufgenommenen Fakten und ein wirkliches Verstehen. Gerade Letzteres sorgt dafür, dass Sie Gelerntes richtig wiedergeben und im Langzeitgedächtnis speichern können. Einzelheiten können Sie bei diesem Schnelllernverfahren sicherlich für die Prüfung mitnehmen, aber es wird den Erfolg von dauerhaftem Lernen nie erreichen.

Wahr: Gemeinsam lernt es sich einfacher

Außenstehende sehen Lerngruppen häufig kritisch an. Mehrere Klassenkameraden sitzen zusammen und reden. Das wirkt eher wie eine Verabredung in der Freizeit, aber nicht wie eine sorgfältige Vorbereitung auf die nächste Prüfung.

In der Tat kommt es natürlich stark darauf an, mit wem Sie zusammen lernen. Jemand, dem der anstehende Test völlig egal ist, wird Ihnen nicht weiterhelfen. Wenn aber mehrere Personen die Aufgabe ernst nehmen, wird das gemeinsame Pauken mit Erfolg belohnt. Denn in der Gruppe kommen Sie nicht darum herum, einige Dinge zu erklären – und zwar nicht so, wie es ohnehin im Buch steht, sondern mit eigenen Worten. Dabei prägen sich diese Dinge auch bei Ihnen besser ein. Zudem hören Sie einige Fakten wesentlich öfters, da unterschiedliche Lerner unterschiedliche Schwachstellen, Lücken und Verständnisprobleme haben, die geklärt werden wollen.

Falsch: Traubenzucker macht das Gehirn leistungsfähiger

„Oh nein! Ein Test! Schnell, holt den Traubenzucker raus!“ Extrem häufig findet man gerade in Prüfungssituationen auf den Tischen viele der kleinen weißen Leckerlis. Manch einer lernt zuhause genauso. Grund ist vermutlich die gute Marketing-Strategie des Traubenzucker-Produzenten, denn erfolgreicher werden Sie dadurch nicht.

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Bild: Tim Reckmann / pixelio.de

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.