Unterricht findet Stadt – Projektunterricht in Halle-Neustadt

An der Euro Akademie wird im Rahmen der Ausbildung an Projekten gearbeitet. Das ermöglicht einerseits die Umsetzung vielfältiger und interaktiver Lehr- und Lernformen. Andererseits entspricht diese Art von Arbeit zunehmend der Alltagspraxis in vielen pädagogischen Berufen.

Sozialer Raum wird zum Unterrichtsgegenstand

Beziehungsarbeit bildet die Grundlage des Erzieherberufes. Als Basis dafür fungieren ausgeprägte persönliche und soziale Kompetenzen, die am besten in der Kommunikation und Auseinandersetzung mit anderen Menschen trainiert werden. Der Raum, in welchem diese Beziehungsarbeit stattfindet, ist ein sozialer Raum – für die angehenden Erzieher* der „Klasse 15“ an der Euro Akademie Halle/Saale wird der soziale Raum deshalb zum Unterrichtsgegenstand. Projektunterricht außerhalb der Schule soll die Beziehungsarbeit der Lernenden stützen und auf den anspruchsvollen Beruf des Erziehers effektiv vorbereiten.

Kinder und Jugendliche über ihre Lebenswelten verstehen

Deshalb fand der reguläre Unterricht der „Erzieher 15“ am 20. Oktober im Mehrgeneratio-nenhaus „Pusteblume“ in Halle-Neustadt statt. Jana Kirsch, Quartiermanagerin und Mitarbeiterin der AWO SPI gGmbH (kurz SPI) hat die Klasse nach Halle-Neustadt eingeladen, um den Stadtteil vorzustellen. Halle-Neustadt gilt als Quartier mit besonderem Entwicklungsbedarf. Um aber nachvollziehen zu können, dass gerade in einem Brennpunkt-Quartier neben Herausforderungen auch große gesellschaftliche Chancen liegen, muss man sich im Quartier bewegen, beobachten, hinterfragen und Zusammenhänge kritisch reflektieren. All dies sind Aufgaben, welche auf die angehenden Erzieher zukommen werden – egal ob in Kita, Hort oder offener Kinder- und Jugendarbeit – Kinder und Jugendliche versteht man nur über ihre Lebenswelten und daraus resultierende Besonderheiten.

Situiertes Lernen

Katrin Schenke ist Klassenlehrerin der „Erzieher 15“ und hat sich bereits im Studium (Erziehungswissenschaften an der MLU Halle Wittenberg) mit situiertem Lernen – also dem Lernen im praktischen Tun und Erleben – befasst. Das Potential dieser Lernform möchte sie nun ihren Schülern eröffnen, indem sie ihren Unterricht in den Sozialraum bzw. in die Lebenswelten hinein verlagert und dadurch den Unterricht öffnet. Dieser Termin war ein erster Schritt: Geplant ist ein länger angelegter Projektunterricht in Halle-Neustadt, welcher durch Jana Kirsch, Fotografin Julia Katharina Weiser und Carolin Kiehl als Stipendiatin der Leibniz Universität Hannover unterstützt wird.

Von Leibniz Universität im Rahmen der Forschung begleitet

In einem Fotoprojekt werden wechselseitige Prozesse von Persönlichkeitsbildung und gesell-schaftlichen Strukturen durch die angehenden Erzieher erschlossen. Dabei haben sich die Lernenden in Gruppen auf unterschiedliche Darstellungsformen geeinigt. Übergreifendes und gemeinsames Thema bildet der Begriff „Kontraste“, der sich durch alle Arbeiten ziehen wird und auch auf Lehrplaninhalte zurückgreift. Da Kontraste eine wesentliche Komponente gesellschaftlicher Vielfalt abbilden, fungiert der Projektunterricht als praxisnahe, moderne Lernform. Diese wird durch ein Promotionsvorhaben der Leibniz Universität im Rahmen der Didaktischen Forschung begleitet.

Berufsausbildung und Integrationskurse zusammenbringen

Dr. Jeannette Drygalla, Projektleitung der Euro-Schulen Halle/Saale, hat selbst viele Jahre in unterschiedlichen Bereichen unterrichtet und findet es äußerst relevant, nun den Bereich der beruflichen Bildung an aktuelle wissenschaftliche Themenstellungen anzupassen. So war es für sie selbstverständlich, gemeinsam mit ihrem Team an der Euro Akademie Halle/Saale, den Unterricht in den sozialen Raum hinein zu öffnen, um Schüler optimal auf Beruf und Leben vorbereiten zu können. Zusätzlich ist ein Projektantrag auf den Weg gebracht worden, der diese Art des Lernens und der Sozialraumorientierung auch für Teilnehmende aus Integrationskursen an den Euro-Schulen Halle umsetzt und damit Berufsausbildung und Integrationskurse zusammenbringt: Auf den Fluren der Schule, in den Köpfen und praktisch umgesetzt in Sozialräumen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht …


*Hinweis zur Gender-Formulierung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text nur die männliche Form. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen meint die gewähl-te Formulierung stets beide Geschlechter.