Rassismus lauert im Kinderzimmer

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Noch bis Januar 2022 läuft im Spielzeugmuseum Nürnberg eine Sonderausstellung zu rassistischem Spielzeug. Darin zeigt sich das Nürnberger Museum äußerst selbstkritisch, denn die Ausstellung entstand auf die Beschwerde einer Besucherin hin. Es wird gezeigt, wie rassistische Bilder unsere Welt bis heute prägen und woran man Rassismus bei Spielsachen erkennt. 

Hatten Sie als Kind Angst vorm schwarzen Mann? Haben Sie auch versucht, den schwarzen Peter beim Kartenspiel möglichst schnell wieder loszuwerden? Die Butlerfigur im Flur bei Ihren Großeltern, die einen dunkelhäutigen Sklaven verkörperte, erschreckte und faszinierte Sie zugleich? Bereits diese drei Beispiele zeigen, wie selbstverständlich und unsensibel weiße Personen Menschen, die nicht ihrer eigenen Norm entsprechen, darstellen. Besonders problematisch ist dabei den Blick auf dunkelhäutige Menschen, den Kinder erhalten – denn dieser prägt sie meist für ihr ganzes Leben. 

Anstoß gab eine Betroffene 

Dass auch Spielzeug im Hinblick auf Rassismus kritisch beäugt werden sollte, hat das Nürnberger Spielzeugmuseum in den letzten drei Jahren gelernt. Nachdem die Schwarze Amerikanerin Adwoa Mtongo im Jahr 2018 das Spielzeugmuseum besuchte hatte, dort ein ausgestelltes Blechspielzeug der Firma E.P. Lehmann als rassistisch identifiziert hatte und die Museumsleitung darüber in Kenntnis gesetzt hatte, wurde die gesamte weltbekannte Spielzeugsammlung des Hauses hinsichtlich Rassismen und menschenrechtlicher Problematiken geprüft. Das Ergebnis findet sich in der aktuellen Sonderausstellung „Spielzeug und Rassismus. Perspektiven, die unter die Haut gehen“, die seit dem 15. Juli 2021 geöffnet ist und noch bis 9. Januar 2022 läuft. Nicht nur für Erzieher*innen ist die Ausstellung spannend. Mit wissenschaftlichem Fokus beleuchtet sie rassistisches und antirassistisches Spielzeug und fragt: Kann Spielzeug rassistisch sein? Woran erkennt man Rassismus bei Spielsachen? Und wie begegnet man dieser Problematik im Alltag und im Museum? 

Warum eine rassismuskritische Ausstellung? 

Spielzeug, das schwarze Menschen zeigt, ist per se kein rassistisches Problem. Im Gegenteil. Aber es gibt auch Spielzeug, das schwarze Menschen entstellt, herabwürdigt und lächerlich macht. Häufig, aber nicht immer stammt dieses Spielzeug aus der Kolonialzeit und referiert auf Missbrauch von Menschen durch Sklaverei. Solche Objekte unkommentiert auszustellen, ist rassistisch. Aber wie kann man nun diese Ausstellungsstücke präsentieren und dabei auf deren Problematik hinweisen? Die klassische Ausstellungsform des Zeigens und Beschreibens funktioniert bei rassistischen Objekten nicht. Denn auf diese Weise würden Rassismen schlicht reproduziert und weiter verfestigt. Das Ziel der Ausstellung stand also fest: Die rassistischen Spielzeuge sollten also weder tabuisiert noch sollte ihre Wirkung reproduziert werden. Denn rassistische Objekte, die immer wieder gezeigt werden, bleiben umso stärker in den Köpfen und Seelen der Menschen hängen. Zudem wirken in Museen die Objekte selbst immer am stärksten, am zweitstärksten die Bilder und erst an dritter Stelle steht die Wirkung der Texte – erklärt das Spielzeugmuseum Nürnberg in seiner Pressemitteilung. Zeigt man also ein rassistisches Objekt, dann kann der wissenschaftliche Text noch so präzise sein – das Objekt wirkt stärker. Für die geplante Ausstellung brauchte es also gezielt antirassistische Wege, um die Problematik von rassistischen Objekten sichtbar zu machen.

Die Objekte „empowern“ 

Darin liegt eine der Besonderheiten der Ausstellung: Die Objekte werden nicht nur in einen wissenschaftlichen Kontext gesetzt und erzählen ihre Geschichten mit einem Perspektivwechsel, sondern dieser Perspektivwechsel ist – passend zum Museum – spielerischer Natur. Kein erhobener Zeigefinger ermahnt das Publikum, stattdessen ermöglicht ein spielerisch-positiver Umgang das eigene Entdecken und Erkennen des jeweiligen Problems eines rassistischen Objekts.  „Empowerment“ ist der politische Fachbegriff dafür, wenn sich Minderheiten bewusst dieselben Rechte und Achtungsgrade erarbeiten, die für Mehrheiten völlig selbstverständlich sind. Jedes rassistische Spielzeug in der Ausstellung hat Empowerment erfahren, wurde wissenschaftlich analysiert, kontextualisiert und künstlerisch-spielerisch ausstellbar gemacht.  

Vom hilflosen Objekt zum starken Subjekt

Die Ausstellung zeigt acht solcher Figuren, die sich vom degradierten Objekt zum Subjekt entwickeln, das selbst über sein Schicksal verfügen kann. Das Blechspielzeug, das Adwoa Mtongo 2018 als rassistisch erkannte, ist auch dabei. Der sogenannte Alabama Coon Jigger ergreift in der Ausstellung selbst seinen Aufziehschlüssel und wirft ihn fort, um nicht länger unfreiwillig tanzen zu müssen. Der schwarze Peter aus dem gleichnamigen Kartenspiel bringt sein Kartenhaus mit einem gezielten Tritt entschlossen zum Einsturz. Eine schwarze Puppe im Leoparden-Lendenschurz bekommt schicke Kleidung aus Papier. In einer kurzen Videodokumentation des Bayrischen Rundfunks sind diese Transformationen zu sehen. 

Es geht auch anders: antirassistisches Spielzeug  

Bei den Vorbereitungen für die Ausstellung wurde den Kurator*innen klar: Eine Ausstellung, die mit dem Thema Rassismus beginnt und mit ihm endet, macht einen angestrebten Perspektivwechsel schwer. Deshalb zeigt die Präsentation auch antirassistisches Spielzeug, das in den letzten Jahren verstärkt auf den Spielzeugmarkt gekommen ist. Diese antirassistischen Spielsachen wurden eigens dafür entworfen und hergestellt, um Rassismus durch Spielzeug entgegenzuwirken. Sie vermitteln wertschätzende und realistische Bilder von People of Colour. Schwarze Kinder fühlen sich mit diesen Spielzeugen verbunden und in ihrer Identität bestätigt. Weiße Kinder lernen, dass Menschen unterschiedlich aussehen und erleben Vielfalt positiv. Die Ausstellung endet gezielt mit diesen positiven Gegenwartsbeispielen von engagierten Spielwarenfirmen. 

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Bildquelle Beitragsbild: © Microfile.org / shutterstock.com
Textquelle und übrige Fotos: Presseinformation vom 17.05.2021, Museen der Stadt Nürnberg, Spielzeugmuseum

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.