Mit ein paar Klicks zu einem Nebenjob in der Heilerziehungspflege

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Wer sich für Heilerziehungspflege interessiert, scheut manchmal doch vor den Aufgaben und dem Unbekannten zurück. Sich hauptberuflich um Menschen mit Beeinträchtigungen zu kümmern, ist schließlich eine große Verantwortung und kann belastend sein. Die Plattform bagiri.com erlaubt einen sanften Einstieg in das Berufsfeld. Testen Sie aus, was Sie später erwartet.

Kennen Sie den Film „Ziemlich beste Freunde“? Ein gerade aus der Haft entlassener junger Mann tritt eher widerwillig eine Stelle als Pflegekraft an. Sein Schützling ist fast komplett gelähmt, wohlhabend, aber griesgrämig. Nach anfänglicher gegenseitiger Abneigung lernen und profitieren beide schließlich viel voneinander. Eine ungewöhnliche Freundschaft entsteht.

Können Sie sich vorstellen, ebenfalls einer Person mit körperlicher oder geistiger Einschränkung in ihrem Alltag zu helfen und sich dabei anzufreunden? Sie sind für jemanden da, verdienen Geld und haben Spaß zusammen. Nur, dass es sich dabei nicht um einen älteren Herrn, sondern um ein Kind handelt. Wenn der Gedanke Ihr Interesse weckt und Sie das mal ausprobieren wollen – tun Sie es doch einfach!

Bagiri.com – einen Fuß in der Heilerziehungspflege

Die Online-Plattform bagiri.com bringt potenzielle Betreuer*innen mit Eltern von Kindern mit Behinderung zusammen. Dabei suchen Mütter und Väter hauptsächlich jemanden, der ein bis zwei Mal in der Woche oder über die Ferien hinweg regelmäßig etwas mit dem*der Kleinen unternimmt. Vielleicht benötigen sie auch nur hin und wieder eine Begleitung zu einer Veranstaltung. Wer sich dort registriert, hat also gute Aussichten auf einen Nebenjob im Bereich Heilerziehungspflege.

Wie funktioniert das?

Gerade Jugendliche und junge Erwachsene, die noch nicht genau wissen, wo sie ihr beruflicher Weg hinführt, können so diese Option ausloten. Dabei muss der*die Betreuer*in keine Fachkraft sein. Bereits als Auszubildene*r oder Student*in aus dem Bereich Gesundheit und Pflege beziehungsweise Pädagogik und Soziales können Sie auf bagiri.com ein Profil anlegen. Das ist 2020 kostenlos – normalerweise kostet die Registrierung einmalig 15 Euro. Ihre Angaben werden dann geprüft, bevor sich schließlich Gründerin Ricarda Niewerth persönlich bei Ihnen meldet, um sich ein Bild zu machen.

Anschließend finden Familien, die Unterstützung benötigen, das Profil auf der Plattform. Oder Sie bewerben sich selbst auf eine Suchanfrage. Über Ihre Kontaktdaten melden sich interessierte Eltern direkt bei Ihnen. Wenn es zwischen Ihnen passt, werden noch die Zeiten, Dauer, Bezahlung und alle weiteren Details zur Betreuung geklärt. Schon kann es losgehen! Und vielleicht finden Sie dabei nicht nur eine erfüllende Tätigkeit, sondern auch eine*n guten Freund*in.

Was sollen Sie tun?

Die Aufgaben werden an den*die Betreuer*in angepasst. Eine Fachkraft macht vielleicht Aufgaben der Frühförderung mit dem Schützling. Kommen Sie aber als Auszubildende*r im ersten Jahr in die Familie, geht es hauptsächlich darum, eine schöne Zeit mit dem Jungen oder Mädchen zu verbringen, etwas zu erleben, dabei bei kleinen alltäglichen Herausforderungen zu helfen und den Eltern ein paar Stunden Zeit für sich oder andere Dinge zu schenken.

Sind Sie gerade in einer Ausbildung zum*r Heilerziehungspfleger*in, Kinderpfleger*in, Ergotherapeut*in, Physiotherapeut*in, Sozialassistent*in oder Sozialpädagogischen Assistent*in sammeln Sie bei dieser Tätigkeit wertvolle Berufserfahrungen. Auch für den eigenen Lebenslauf und ganz besonders für Ihre persönliche Entwicklung ist so ein Nebenjob Gold wert.

Simon und Niklas

Simon ist 17 Jahre und macht eine Ausbildung zum Erzieher. Er arbeitet gerne mit Kindern und hat grundsätzlich zu wenig Geld. Daher hat er sich bei Bagiri angemeldet und kommt mittlerweile schon seit drei Monaten regelmäßig zum neunjährigen Niklas.

Immer donnerstags gehen die Eltern von Niklas abends zu einem Tanzkurs. Dann ist Simon bei ihnen zu Hause. Er bekommt erst einen groben Überblick, ob der Tag schwierig oder gut war. Wenn es etwas Besonderes zu beachten gibt, weisen die Eltern ihn darauf hin und verabschieden sich anschließend. Manchmal spielen Simon und Niklas dann noch ein Spiel, aber oft will der Junge lieber gemeinsam in einem Buch lesen und sich unterhalten. Diese Zeit ist wichtig, damit die beiden sich kennenlernen und Vertrauen aufgebaut wird. Ist es Zeit zum Schlafengehen, braucht Niklas Hilfe beim Umziehen, da er querschnittsgelähmt ist und im Rollstuhl sitzt.

Wenn der Kleine im Bett liegt, schaut Simon meistens fern. Die Eltern von Niklas lassen ihm immer auch etwas zum Knabbern da. Stehen wichtige Prüfungen an, nutzt er die Zeit zum Lernen. Am Bett von Niklas ist ein Knopf, den er jederzeit drücken kann. Dann klingelt es im Wohnbereich und sein Betreuer kommt ins Zimmer. Dann will Niklas meistens einfach umgedreht werden, das kann er nämlich allein nicht.

Sobald die Eltern zurückkommen, wird besprochen, ob etwas Besonderes vorgefallen ist. Sie bezahlen Simon und er geht nach Hause.

Hin und wieder kommt der Auszubildende auch an anderen Tagen nachmittags, um gemeinsam mit Niklas ins Kino, zu einem Kindertheater oder ähnliches zu gehen. Das ist praktisch, denn bei den meisten Veranstaltungen darf mit dem Behindertenausweis des Jungen eine Begleitperson gratis mit in die Vorführung.

Ein Plus für die Kinder, die Betreuer*innen und die Eltern

Die Gründerin Ricarda Niewerth hatte bei ihrer Idee zu Bagiri natürlich die Kinder im Kopf, die Betreuung nötig haben und Abwechslung brauchen. Auch die Personen, die sich Geld dazuverdienen, Erfahrung sammeln und mit Menschen arbeiten möchten, profitieren. Aber ganz besonders lagen ihr die Eltern der pflegeintensiven Kinder am Herzen.

Seit 19 Jahren arbeitet sie mit Menschen mit Behinderung und weiß um die schwierige familiäre Situation.

Ricarda Niewerth ermöglicht Einblicke in die Heilerziehungspflege.

„Fördernde Maßnahmen beziehen sich zum Großteil lediglich auf die betroffene Person, die Familienangehörigen werden oftmals vergessen. Obwohl auch deren Gesunderhaltung von essenzieller Bedeutung für das Familienmitglied mit Behinderung ist“, so Frau Niewerth.

Die Plattform bietet also etwas für alle: Sie kann das Leben eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen und seiner Familie enorm bereichern. Jedem Betreuer und jeder Betreuerin bietet sie einen Schnupperkurs in die Heilerziehungspflege und den Kontakt zu Menschen, die das Herz berühren und die er oder sie niemals vergessen werden. Das ist doch mal einen Klick wert.

Sie wissen bereits, dass Sie in der Heilerziehungspflege zu Hause sind? Dann gleich anmelden!

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.