Karriere in der Pflege: Vom Krankenbett auf den Chefsessel

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Führungskräfte auf dem Weg zu einer Karriere in der Pflege haben es nicht immer einfach. Sie agieren im Spannungsfeld zwischen ihrem pflegerischen Auftrag und dem Management der Pflegeeinrichtung. Gleichzeitig müssen sie dem Streben nach Wirtschaftlichkeit auf der einen und dem pflegerischen Ethos auf der anderen Seite gerecht werden. Sie sind die Garantinnen und Garanten für die Sicherstellung des pflegerischen Versorgungsauftrags. Wir als Gesellschaft beobachten ganz genau, ob sie diese Aufgabe gut erfüllen, denn wir vertrauen ihnen unsere kranken und schwachen Familienmitglieder an. Selbstverständlich wollen wir unsere Lieben in guten Händen wissen. Wir wollen, dass sie sich die nötige Zeit für jeden Einzelnen nehmen und sich darum bemühen, dass die Kranken wieder gesund werden, sowie die Alten an ihrem Lebensende würdig zu begleiten.

Hürden auf dem Karriereweg

Aber wie geht es den Pfleger*innen dabei? Während der Coronakrise wurde der enorme Druck, der auf den Schultern der professionell Pflegenden lastet, deutlich – und bekam endlich ein Ventil, eine Stimme. Das Institut Arbeit und Technik (IAT) hat nun gemeinsam mit dem BiG – Bildungsinstitut im Gesundheitswesen gGmbH, beauftragt vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), ein Forschungsprojekt durchgeführt, bei der insbesondere die Führungskräfte im Pflegebereich in den Blick genommen wurden. Welche Herausforderungen begegnen dieser Personengruppe auf der Karriereleiter von pflegenden Angestellten in die untere und obere Führungsebene? Angehende Abteilungs-, Stations- oder Wohnbereichsleitungen aber auch neu ernannte Pflegedirektor*innen, Pflegedienstleitungen oder die verantwortlichen Pflegefachpersonen haben mit einigen Hürden zu kämpfen, die die neuen Positionen mit sich bringen.

Vielfältige Anforderungen an Führungspersonen

Ging es auf der alten Position noch um fachliche Kenntnisse und Qualifikationen im Themenbereich Pflege, so werden plötzlich ganz andere Anforderungen an die Pflegekräfte in Führungsposition gestellt. Sie sind nun verantwortlich für die Teamentwicklung, sollen das Gruppengefühl ihrer Mitarbeitenden stärken und dafür sorgen, dass jede*r sich mit der Einrichtung oder dem Unternehmen identifiziert. Gleichzeitig sollen die neuen Chef*innen jede*n Mitarbeiter*in individuell fördern, indem sie deren Potenziale einschätzen und gemeinsam mit der jeweiligen Person weiterentwickeln. Nicht zuletzt fallen auch die Arbeitsorganisation und das Prozessmanagement auf der Station in ihren neuen Tätigkeitsbereich. Gerade bei Krankheitswellen unter den Mitarbeitenden nimmt die Personaldisposition viel Zeit in Anspruch – die an anderen Stellen fehlt. Überhaupt führt der Mangel an ausgebildeten Pflegekräften unweigerlich zu schwierigen Situationen auf den Stationen, für die die Führungskräfte in den unteren Führungsebenen – gleich einem Zauberer – Lösungen finden müssen. Ein Thema, das Pflegeeinrichtungen mehr und mehr beschäftigt, ist der Umgang mit Gewalt und Aggressionen, die von Patient*innen/Bewohner*innen und Angehörigen/Besucher*innen gleichermaßen ausgehen können. Auch hier sind die Leitungspersonen gefordert, um eine sichere Umgebung für ihre Mitarbeitenden zu schaffen.

Das (neue) Rollenverständnis

Während bei Angestellten deren professionelle Identität vernachlässigbar ist, sehen sich aufstrebende Pflegekräfte mit vielen neuen Aufgaben konfrontiert. In diesem Zuge ist es für sie wichtig, ein Verständnis für ihre neue Rolle zu entwickeln. Zugunsten der betriebswirtschaftlichen Effizienz ist es nötig, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad vom Pflegeberuf abkoppeln. Dabei findet eine Entfremdung vom pflegerischen Berufsethos statt, mit dem nicht alle gut umgehen können. Zudem besteht eine Nähe zu den Mitarbeitenden – oft sind es sogar ehemaligen Kolleg*innen. In ihrer neuen Rolle sind sie jedoch plötzlich als Vorgesetzte*r verantwortlich für diese. „Von der Organisation der Pflege bis hin zur Pflege der Organisation“ ist der vielzitierte Titel eines Fachartikels aus 2016 – und trifft ins Schwarze: Der Weg vom Krankenbett an den Schreibtisch sollte daher von Weiterbildungen begleitet sein, die diesen Prozess unterstützen, eine entsprechende Kompetenzentwicklung fördern und Raum für angeleitete Reflexionen bieten. Das empfehlen auch die Autor*innen der oben genannten Untersuchung.

Begleitung durch Weiterbildung

Eine professionelle Begleitung der neuen Führungskräfte durch entsprechende Seminare und Workshops ist eigentlich unabdingbar, denn eine Leitungsweiterbildung kann sich nur positiv auf die eigene psychologische Sicherheit der Teilnehmenden auswirken. Und das nützt nicht nur den Mitarbeitenden, sondern langfristig auch den Bildungseinrichtungen, die so von professionell geschulten Führungskräften profitieren. Schaut man sich jedoch die (Weiter-)Bildungslandschaft in diesem Bereich an, so stellt man schnell fest, dass Qualifizierungen für Mitarbeiter*innen in Führungspositionen uneinheitlich und intransparent sind. „Doch wie die gesamte Weiterbildungslandschaft in der Pflege sind auch die Qualifikationsangebote für Führungspersonen in der Pflege unübersicht­lich, fragmentiert und heterogen“, heißt es im Vorwort zu der vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beauftragten Untersuchung, die den Leser*innen in einem Rahmenkonzept auch Vorschläge und Beispiele an die Hand gibt, wie es besser laufen könnte.

Führung ist nicht gleich Führung

Ein Thema, das in den Weiterbildungen eine zentrale Rolle einnehmen sollte, heißt: Führung bzw. Führungen. Denn es gibt nicht die eine Weise, wie man das Vorgesetzten-Angestellten-Verhältnis gestalten kann. Aufgeführt werden in dem Beitrag die ethikorientierte Führung, die gesundheitsförderliche und generationengerechte Führung sowie die talentfördernde Führung. Diese setzen unterschiedliche Schwerpunkte.

Ethikorientierte Führung

Im ersten Ansatz der ethikorientierten Führung soll die Pflege im Mittelpunkt stehen, was aber in der Praxis durch die vorgefundenen, defizitären Rahmenbedingungen erschwert wird. Daher genügt es nicht, dass sich die mittlere Führungsebene und ihre Teams zu Leitidee committen, sondern auch das obere Management muss ein Commitment zur Leitidee der ethikorientierten Führung zeigen. Eine Beschränkung auf die persönlichen Kompetenzen der Führungsperson kann also nicht ausreichend sein, sondern die Umstände müssen mitbetrachtet werden.

Gesundheitsförderliche und generationengerechte Führung

Der zweite Ansatz beschäftigt sich mit zwei aktuellen Brennpunkten in der Pflege: die Gesundheit des Personals und die Altersmischung innerhalb der Teams. Insbesondere im Angesicht des Fachkräftemangels gilt es, zusätzliche kurz- und langfristige Ausfälle durch Krankheiten zu vermeiden. Dafür ist ein funktionierendes Gesundheitsmanagement notwendig. Es klingt absurd: Gerade diejenigen, die sich beruflich um die Gesundheit ihrer Patient*innen kümmern, vernachlässigen oft ihre eigenen Bedürfnisse. Neben dieser Fürsorge-Aufgabe haben Leitungen oft auch mit der Altersstruktur innerhalb ihrer Mannschaft zu kämpfen. Sie müssen auf die jeweils typischen Bedürfnisse und Erfahrungen verschiedener Generationen von Mitarbeitenden (Babyboomer, Generation X, Generation Y, Generation Z) eingehen. Das kann funktionieren – kann aber auch einem Jonglage-Akt mit zu vielen Bällen gleichzeitig in der Luft ähneln.

Talentfördernde oder transformationale Führung

Die talentfördernde oder transformationale Führung letztlich, die als dritter Ansatz vorgestellt wird, ist stärker am Individuum orientiert. Vorgesetze sollen die Potentiale und Talente ihrer Mitarbeitenden erkennen und diese fördern.

Fazit

Führungskräfte in der mittleren und oberen Ebene von Pflegeeinrichtungen und -organisationen haben eine entscheidende Schlüsselposition zur Sicherstellung der professionellen Pflege inne, befinden sich aber gleichzeitig in einem engen Zwangskorsett ökonomischer Vorgaben. Sich in dieser Rolle zu sehen ist nicht immer einfach und bedarf Unterstützung von außen. Daher sollten angehende Führungskräfte durch Weiterbildungen begleitet werden. Diese sollten transparent und einheitlich sein. Aktuell ist die gesamte Weiterbildungslandschaft in der Pflege jedoch noch unübersicht­lich, fragmentiert und heterogen. Es ist Aufgabe der Politik und der Bildungsträger, diese gemeinsam zu verbessern.

Titelbild: Andrey_Popov/shutterstock

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.