Was ChatGPT & Co. für den Bildungsalltag bedeuten
Spätestens seit OpenAI im vergangenen November seinen Chatbot namens ChatGPT eingeführt hat, ist das Thema Künstliche Intelligenz in aller Munde. Übersetzer*innen, Texter*innen, Autor*innen und andere Menschen, die sich beruflich mit Sprache(n) beschäftigen, fürchten, dass Sprachroboter sie in nächster Zeit arbeitslos machen könnten. Der bekannte australische Musiker Nick Cave hingegen, den ein Fan mit einem von ChatGPT generierten Songtext konfrontiert hatte, der in seinem Stil verfasst wurde, reagierte gelassen: „Dieser Song ist Bullshit.“
Schnell wurde auch eine Debatte im Bildungsbereich entfacht. Ob man nun an eine Zukunft von Textgeneratoren wie ChatGPT, Neuroflash, WriteSonic oder Deepl glaubt oder sie als vorübergehenden Hype abtut, ist hier gar nicht (mehr) die Frage. Denn dass Schüler*innen und Studierende diese Tools nutzen, ist eine Tatsache, und Bildungseinrichtungen tun gut daran, zeitnah darauf zu reagieren und zu eruieren, wie sie mit dieser Tatsache umgehen.
KI im Unterricht
Das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt beispielsweise hat bereits eine Webseite zum Thema „Künstliche Intelligenz“ eingerichtet, auf der neben dem Ursprung von KI, Definitionen und weiterführenden Links auch fachspezifische Fortbildungen angekündigt werden. In diesen wird der Schwerpunkt auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz als didaktisches Mittel gelegt. Insbesondere in der Unterrichtsvorbereitung kann KI unterstützen und für die Lehrkräfte wertvolle Zeitersparnis bringen. So lassen sich in Windeseile ein Quiz, Multiple Choice-Test oder ein Lückentext zu einem bestimmten Thema erstellen, wenn man nur den richtigen „Prompt“ (aus dem Englischen: Aufforderung, Stichwort) eingibt. Außerdem kann man mit ChatGPT auch Lern- und Lehrpläne entwerfen. Auf dem halbtagsblog finden Sie einige spannende Impulse und Umsetzungsbeispiele. Den Unterricht selbst kann die Verwendung von digitalen Tools auflockern. Schüler*innen und Student*innen können Chatbots als Wissensquelle nutzen und deren Output anschließend kritisch hinterfragen. Oder in einer Fremdsprache mit der KI kommunizieren und so ihre Sprachkenntnisse spielerisch trainieren.
Veränderte Prüfungsformate durch KI
Als ein wichtiger Punkt in der Debatte um künstliche Intelligenz im Bildungsbereich liegt die Frage nach der Möglichkeit, bei Hausarbeiten zu schummeln und die Texte der KI als seine eigenen zu verkaufen, auf der Hand. Solange die Frage nach dem Urheberrecht von maschinell erstellten Texten noch nicht abschließend geklärt ist, bewegen wir uns hier in einer Grauzone. Aber vielleicht ist es gar nicht diese Frage, die wir uns als Bildungsunternehmen stellen sollten? In erster Linie sollten wir uns damit beschäftigen und hinterfragen, ob das Prüfungsformat „Hausarbeit“ überhaupt noch zeitgemäß ist, ob schriftliche Abschlussarbeiten, Essays oder Case Studies geeignete Instrumente sein können, um daran die Kompetenz der Schüler*innen und Student*innen zu messen. Die begrüßende Haltung von Dozent*innen zu schriftlichen Texten allein tauge nicht als „didaktisch fundierte Argumentation zum Sinn und Nutzen von schriftlichen Texten“ mahnt Prof. Dr. Johannes Moskaliuk von der ISM Stuttgart auf seinem Blog: "Prüfungen [sind] nicht als etablierte kulturelle Praktik zu verstehen, deren Form und Bedeutung unantastbar ist". Vielmehr schlägt der Diplompsychologe und ausgebildete Betriebswirt vor, dass Lehrkräfte zunächst Lernziele festlegen. An diesen sollte sich anschließend die Auswahl des Prüfungsformats orientieren.
Da wir den Wissenschaftler*innen und Lehrkräfte die Verantwortung übertragen, die Studierenden und Schüler*innen zu kompetenten Bürgerinnen und Bürgern einer Wissensgesellschaft zu machen, sollten wir die Curricula an die neue, digitale Welt anpassen – und nicht umgekehrt. In einem späteren Arbeitsszenario wird KI eine wichtige Rolle spielen, weshalb schon früh in Schule und Hochschule die Nutzung von KI-Tools als wichtige Kompetenz vermittelt werden muss. Dazu zählt auch die kritische Auseinandersetzung mit technologischen Trends.
KI und Bildungsgerechtigkeit
Weiterhin wirft die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Bildung ethische und soziale Fragen auf. War ChatGPT zu anfangs noch kostenlos, haben die Betreiber Anfang Februar in den USA Chat GPT Plus eingeführt. Diese Premium-Version kostet etwa 22 Euro (23,80 US-Dollar) und verspricht neben zusätzlichen Features, jederzeit erreichbar zu sein. Bedeutet das nun, dass Nutzer*innen, die sich einen Premium-Account leisten können, Zugang zu den „besseren“ Ergebnissen haben? Das würde Schüler*innen und Studierende in der Konsequenz in zwei Klassen teilen und diejenigen bevorzugen, die finanziell bessergestellt sind. Wer sich ein teures Abo leisten kann, bekommt die besseren Informationen, mit denen es sich effektiver lernen lässt. Außerdem können Abonnent*innen umfangreichere Texte generieren lassen, die sie dann als die ihren ausgeben können. Sabine Mistler, Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Philologenverbandes (PhV NRW), bringt es auf den Punkt: „Die Nutzung darf keine Frage des Geldbeutels sein.“
Dennoch werden auch Stimmen laut, die das Gegenteil prognostizieren. In einem Positionspapier zeigen mehr als 20 Wissenschaftler*innen der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) aus Bildungs-, Sozial-, Computer- und Datenwissenschaften, welche Chancen die neuen Textgeneratoren für die Bildung bieten. Ihre Abschätzung: "ChatGPT kann zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen". Gemäß der Forschergruppe können die neuartigen Tools bisher benachteiligte Personengruppen, denen bisher der Zugang zu Bildung verwehrt wurde, empowern – vorausgesetzt, die KIs sind weiterhin für jede*n zugänglich.
Comic-Projekt „Schokoroboter und Deepfakes“
Was jedoch denken junge Menschen selbst über KI – also die Generation, deren Alltag von morgen am meisten von KI geprägt sein wird? Das Outreach Team des Tübingen AI Center stellte rund 200 Schüler*innen zwischen 11 und 19 Jahren Fragen zu ihren Bedürfnissen, Ängsten und Assoziationen im Zusammenhang mit KI. Die Antworten fanden Eingang in einen Comic mit ganz eigener, expressiver Bildsprache: Schokoroboter und Deepfakes - ein Comic für Jugendliche, Erwachsene und Forschende. Ein Comic als Zeitzeugnis. Ein Comic, der einlädt, sich an der Debatte zu beteiligen, neugierig zu sein und sich selbst mit KI zu beschäftigen. Im Comic kommen Fragen und Ängste auf, die auch wir Erwachsenen kennen: Machen die Maschinen mich überflüssig, hänge ich mit KI als Gesprächspartner in meiner eigenen Filterblase fest, mache ich mich abhängig von Maschinen, fördert KI den Hass in der Gesellschaft etc.?
Geschlechtergerechtigkeit gehört zu den Grundsätzen unseres Unternehmens. Sprachliche Gleichbehandlung ist dabei ein wesentliches Merkmal. Für den diskriminierungsfreien Sprachgebrauch verwenden wir in Texten den Gender Star bei allen personenbezogenen Bezeichnungen, um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einzuschließen. Versehentliche Abweichungen enthalten keine Diskriminierungsabsicht.