Maskenpflicht und Grundrechte in Zeiten der Pandemie
Als Rechtsanwalt und Dozent an der Euro Akademie habe ich mich in den letzten Monaten sowohl im Rahmen des Unterrichts als auch in meiner anwaltlichen Praxis zunehmend mit Fragen rund um die aktuellen Einschränkungen in allen Lebensbereichen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beschäftigt.
Ich bin überwiegend an der Fachschule für Erzieher*innen an der Euro Akademie Berlin beschäftigt. Hier besteht meine Aufgabe darin, den Studierenden die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer pädagogischen Arbeit zu vermitteln. Von elementarer Bedeutung ist es dabei, den Studierenden ein fundamentales Verständnis von den Grundrechten sowie von deren Stellenwert und Funktion im Rahmen unserer Rechtsordnung zu vermitteln. Erzieher*innen, die nicht in der Lage sind, den Stellenwert und die Bedeutung unserer Grundrechte für ihr persönliches Leben und ihre berufliche Praxis zu verinnerlichen, werden selbstverständlich auch nicht dazu in der Lage sein, diese wichtigen Grundsätze unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens an andere Menschen weiterzugeben. Dies gehört aber zu ihrem gesetzlichen Erziehungsauftrag, denn wir alle wünschen uns schließlich auch in Zukunft mündige Bürger*innen, die im Rahmen der gegebenen demokratischen Spielregeln ihre Persönlichkeit frei entfalten können.
Kritische Auseinandersetzung mit den geltenden Einschränkungen
Gerade die in den letzten Monaten auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ergangenen Verordnungen boten reichlich Anlass dafür, die einzelnen Maßnahmen und deren Berechtigung im Hinblick auf die Grundrechte zu überprüfen. Insbesondere nach der Wiederaufnahme des generellen Präsenzunterrichts bei überwiegender Beibehaltung der Abstandsregeln und der Maskenpflicht entstand bei den Studierenden ein extremes Bedürfnis danach, sich mit der Berechtigung der weiterhin geltenden Einschränkungen kritisch auseinanderzusetzen.
Die in diesem Zusammenhang geäußerten Meinungen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Sie reichten nämlich von der totalen Ablehnung der im Unterricht geltenden Maskenpflicht bis zu der Auffassung, dass die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an den Schulen grundsätzlich nicht zu verantworten sei. Die Gegner*innen der Maskenpflicht sahen ihre Grundrechte aus Artikel 2 (allgemeine Handlungsfreiheit), Artikel 5 (Meinungs- und Informationsfreiheit), Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) und Artikel 11 (Freizügigkeit) eingeschränkt. Sogar ein Verstoß gegen Artikel 1 (Menschenwürde) wurde ins Feld geführt. Im Unterricht wurden diese Fragen ausgiebig diskutiert.
Gelebte Demokratie! Es lebe die Meinungsfreiheit!
Sehr schnell kamen die Studierenden dann auf die eigentlichen Kernfragen, die im Rahmen dieser Debatte relevant sind:
- Sind unsere Grundrechte einschränkbar?
- Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
- Gilt das für alle Grundrechte?
Als klar wurde, dass die überwiegende Anzahl der Grundrechte durch entsprechende gesetzliche Regelungen einschränkbar ist, entstand erst die eigentliche Diskussion! Wie müssen demnach die gesetzlichen Regelungen beschaffen sein, um Grundrechte einschränken zu dürfen? Die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Güterabwägung wurden gerade im Rahmen der Diskussion um die Einschränkung von Artikel 2 des Grundgesetzes sehr lebhaft diskutiert. Die Betätigungsfreiheit des Einzelnen ist dadurch begrenzt, dass möglicherweise Grundrechte anderer beeinträchtigt sind. Gerade hier stellt sich die Frage, ob es nicht doch zumutbar ist, mit einem schlichten Stück Stoff Mund und Nase zu bedecken, um die Gesundheit der Mitbürger*innen nicht zu gefährden.
Natürlich hätte auch ich gerne auf diese Pandemiesituation verzichtet. Aber das hier geschilderte Beispiel macht deutlich, wie viel einfacher es ist, Lehrinhalte zu vermitteln, wenn nicht nur abstrakte Handlungssituationen, sondern vielmehr die gesellschaftliche Realität die Fragestellungen bestimmt.
Ein Gedanke zur Menschenwürde
Abschließend noch ein Gedanke zur Menschenwürde, die aus gutem Grund nach der Auffassung unserer Verfassung der sogenannten „Ewigkeitsgarantie“ unterliegt, also selbst durch ein Gesetz nicht abänderbar ist (Artikel 79 GG). Gerade im Hinblick auf die Geschichte unseres Landes darf es nie wieder vorkommen, dass der Mensch zum Objekt staatlichen Handelns wird. Folter und ähnliche menschenverachtende Vorgehensweisen gehören seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum Glück der Vergangenheit an.
Gerade die Achtung unserer Mitmenschen und die Sorge für sie ist nach meiner Auffassung ein wesentlicher Bestandteil dieser „Menschenwürde“, wie sie in Artikel 1 des Grundgesetzes normiert ist.
Die Pflicht zum Tragen einer Maske ist mithin nicht ein Verstoß, sondern ein Gebot der Menschenwürde.
Autor: Burghard Müller-Falkenthal, Rechtsanwalt/Dozent
Bildquelle Beitragsbild: © fotogestoeber /shutterstock.com
Geschlechtergerechtigkeit gehört zu den Grundsätzen unseres Unternehmens. Sprachliche Gleichbehandlung ist dabei ein wesentliches Merkmal. Für den diskriminierungsfreien Sprachgebrauch verwenden wir in Texten den Gender Star bei allen personenbezogenen Bezeichnungen, um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einzuschließen. Versehentliche Abweichungen enthalten keine Diskriminierungsabsicht.