Mausklick statt Arztbesuch – und den Krankenschein per WhatsApp

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Den Krankenschein per WhatsApp bekommen und dafür noch nicht einmal in die Praxis müssen – klingt ziemlich verrückt. Doch ein Hamburger Start-up macht es möglich.

Wer erkältet ist und nicht zur Arbeit kommen kann, muss sich krank melden. In der Regel müssen Sie spätestens am dritten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Ihrem Arbeitgeber vorlegen. Diesen gelben Zettel bekommen Sie, wenn Sie zum Arzt gehen, dieser Sie untersucht und zu dem Schluss kommt, dass Sie wirklich zu Hause bleiben sollten. Mit der neuen Online-Diagnose auf au-schein.de können Sie sich den Aufwand sparen.

Kästchen klicken im Fragebogen

Die Website wurde von einem Hamburger Start-up ins Leben gerufen. Dahinter steht der Jurist Can Ansay, der die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens versichert. Viel technisches Know-how müssen Sie nicht mitbringen, und schnell geht es auch.

Mittels einigen Fragen zu den Details der Beschwerden und zu eventuellen Risikofaktoren kann ein Arzt auswerten, ob es sich tatsächlich nur um eine Erkältung handelt. Wer die Fragebögen in Praxen und Kliniken kennt, erwartet nun ein bürokratisches Meisterstück, das Sie viel Zeit und Nerven kostet. Doch es ist ganz simpel: Bei einer entsprechenden Diagnose bekommt der Patient seinen Krankenschein per WhatsApp zugeschickt. Zusätzlich gibt es den gelben Wisch noch einmal auf dem Postweg.

Der Arbeitgeber sollte also zufriedenzustellen sein, denn zwei bis drei Tage nach dem digitalen Foto trudelt die übliche Krankschreibung ein und kann der Personalabteilung übergeben werden. Wer bereits am ersten Tag einen Krankenschein vorlegen muss, darf das WhatsApp-Bild schicken. Auch bisher war es schließlich möglich, den gelben Zettel erst einmal einzuscannen oder abzufotografieren und später vorzulegen.

Sicherheitsvorkehrungen

Auf den ersten Blick wirkt es ein wenig befremdlich, eine Krankschreibung ohne persönlichen Kontakt zu einem Fachmann zu bekommen. Das ist es auch, was die Ärzte auf die Barrikaden gehen lässt. Schließlich könnte auch eine schwerwiegende Erkrankung zu Grunde liegen, die dem Patienten nicht bewusst ist. Wie soll dieser entscheiden, ob sein Leiden harmlos ist oder ob dahinter etwas Größeres steckt?

Auf der anderen Seite fragt die Website zusätzliche Risikofaktoren und Grippe-Symptome ab. Gehören Sie in eine Risikogruppe, zum Beispiel bei einer bestehenden Schwangerschaft, kommen Sie online nicht weiter und müssen doch zum Arzt. Den Krankenschein per WhatsApp gibt es eben nur, wenn Sie eine einfache Erkältung haben.

Einschränkungen bei der Ausstellung

Chronische Blaumacher, die sich nun den ein oder anderen „gelben Urlaub“ erhoffen, werden wir nun enttäuschen müssen. Zum einen kostet der Service neun Euro pro Krankschreibung. Sie müssen sich also gut überlegen, ob Ihnen die Bequemlichkeit das Geld wert ist. Zum anderen dürfen Sie den Online-Weg nur zweimal pro Jahr gehen. Damit soll gezielt die Ausnutzung verhindert werden. Außerdem ist es für jemanden, der andauernd erkältet ist ohnehin ratsam, persönlich mit einem Arzt zu sprechen.

Pluspunkte

Nichtsdestotrotz ist die Webseite eine große Bereicherung für viele. Eine Erkältung kann ein bisschen Naselaufen sein, aber auch ein dicker Kopf, schmerzhafter Husten und Erschöpfung. In diesem Fall ist der Weg zum Arzt beschwerlich, gerade wenn Sie ihn mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf sich nehmen müssen. Auf dem Land sind Sie teilweise lange unterwegs zum nächsten Hausarzt. Hinzukommen die zahlreichen weiteren Patienten in der Praxis, alle in Begleitung ihrer Viren, und die lange Wartezeit. Stattdessen nur ein paarmal klicken und neun Euro bezahlen, wirkt durchaus verlockend.

Zudem sollen auch die Mediziner auf diesem Weg entlastet werden. Vielerorts fehlen Ärzte und die bestehenden Praxen sind überfüllt. Fallen einige Erkältungspatienten weg, können die gravierenderen Fälle schneller versorgt werden.

Arzt- ober Webseitenbesuch?

Momentan wird die Sinnhaftigkeit der Vorgehensweise in den Medien noch heiß diskutiert. Letzen Endes müssen Sie selbst entscheiden, ob Sie online Ihre Daten eingeben und das Geld bezahlen möchten. Es gibt sicher einige Fälle, in denen diese Möglichkeit eine große Entlastung ist. Ob der Arztbesuch im Web allerdings in Zukunft noch erweitert werden kann, bleibt fraglich.

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.