2023 Europäisches Jahr der Zukunftskompetenzen – Deutschland abgeschlagen

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Viele europäische Länder leiden unter Fachkräftemangel, ungerechte Chancen an der gesellschaftlichen Teilhabe und Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit. Aus diesem Grund hat die Europäische Union für 2023 das „Europäische Jahr der Zukunftskompetenzen“ ausgerufen.  

Im Rahmen des Aktionsjahres soll explizit für zukunftsfähige Aus- und Weiterbildungsangebote vor allem im digitalen Bereich geworben werden und die Fördergelder sollen erhöht werden.  

Ziel ist es, bis 2030 einem Anteil von mindestens 80 Prozent der europäischen Bevölkerung ein Grundwissen in digitalen Kompetenzen und Informatik zu vermitteln und bis zu 20 Millionen IKT-Mitarbeitende beschäftigt zu haben. Ein weiterer Fokus besteht darin, diese Berufsfelder für Frauen attraktiver zu gestalten. 

Technische Grundkenntnisse wichtig für den Arbeitsmarkt 

Im Job wird es immer wichtiger, grundlegende Technik- und Medienkompetenz aufzuweisen. Das geht von einer einfachen zielgerichteten Suchanfrage im Internet über die Online-Sicherheit, die Datenverarbeitung bis hin zu nötigen Basics in Office- und Multimediaanwendungen.  

Viele Arbeitnehmer*innen bringen sich dieses Know-how während des Arbeitens bei oder belegen Weiterbildungskurse. Jedoch schauen immer mehr Arbeitgeber zielgerichtet, ob diese Kenntnisse bei Bewerber*innen bereits vorhanden sind. Um fundiert benötigtes Wissen aufbauen zu können, ist es wichtig, dass entsprechende Kenntnisse schon in der Schule erlernt werden. Hierfür bieten sich Informatik-Kurse und Unterrichtsfächer für Medienkompetenz an. Jedoch hinkt Deutschland vor allen im Bereich der Informatik in Schulen weit hinterher. 

Informatikunterricht: Deutschland weit abgehängt in Europa 

Internationale Vergleichsstudien bescheinigen Deutschland einen großen Nachholbedarf in der digitalen Bildung und IT-Grundkenntnissen. In digitalen Kompetenzen liegen deutsche Schülerinnen und Schüler nur im Mittelfeld. Bei einer ersten Vergleichsstudie zu Computational Thinking – einer informatischen Kompetenz – schneiden sie sogar unterdurchschnittlich ab. Eine große Chance, die verpasst wird. Immerhin werden auch IT-Berufe immer diverser, für alle offener und es werden immer ausgebildete Personen gesucht, was sich bei Vorkenntnissen umso besser bewerkstelligen lässt.

Sollte man sich für Technik begeistern oder in ein damit verbundenes Berufsbild einsteigen wollen, dann lohnt sich eine Ausbildung zum Kaufmann*frau für IT-System-Management! Nachwuchs wird immer gesucht! Im europäischen Vergleich sieht es bei schulisch vermittelten Grundkenntnissen sehr mau aus. Mit Ausnahme von sieben europäischen Ländern gehört der Informatikunterricht zu den Pflichtkursen an Schulen. Angefangen in der Grundschule bis zum Ende der weiterführenden Schulen. Deutschland ist einer dieser sieben Ausnahmen.

Die Bildungspolitik in Deutschland liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer, so auch die Ausgestaltung der Unterrichtsfächer und Stundenpläne. Nur wenige Bundesländer bieten Informatik in ihren Lehrplänen als Pflichtfach an. Viele Bundesländer besitzen nur ein freiwilliges Angebot in Form von Wahlkursen, andere wiederum bieten gar keinen Informatikunterricht an. So verwundert es nicht, dass Deutschland in Vergleichsstudien immer wieder zurückfällt und keine flächendeckende Grundausbildung im IT-Bereich garantieren kann.

EU-Länder/Bundesländer mit flächendeckenden Pflichtkursen für Informatik: 

In mehreren Jahrgangsstufen 

  • Kroatien 
  • Luxemburg 
  • Baden-Württemberg 
  • Bayern 
  • Nordrhein-Westfalen 

In einer Jahrgangsstufe 

  • Finnland 
  • Frankreich 
  • Italien 
  • Norwegen 
  • Österreich 
  • Portugal 
  • Schweden 
  • Spanien 
  • Türkei 
  • Tschechien 
  • Hamburg 
  • Berlin  

EU-Länder/Bundesländer mit flächendeckenden Wahlkursen für Informatik: 

  • Irland 
  • Slowenien  
  • Brandenburg 
  • Niedersachsen 
  • Rheinland-Pfalz 
  • Schleswig-Holstein  

EU-Länder/Bundesländer ohne flächendeckendes Angebot für Informatik-Kurse: 

  • Albanien 
  • Belgien 
  • Dänemark 
  • Estland 
  • Island 
  • Niederlande 
  • Bremen 
  • Hessen 
  • Saarland 
  • Sachsen-Anhalt 
  • Thüringen  

Fazit und Auswege 

In Deutschland erhöhte zwischen den Jahren 2018 und 2022 die Anzahl der Bundesländer mit einem umfangreichen und mehr als zweijährigen Informatikangebot lediglich von einem Bundesland auf zwei Bundesländer. Dabei handelt es sich um die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Bei allen anderen Bundesländern tat sich wenig. 

Die Studie macht deutlich, dass sowohl der Umfang als auch die Angebotsbreite bei Unterrichtsfächern wie Informatik und Medienkompetenz deutlich steigen muss. Ansonsten droht ein weiteres Abrutschen im europäischen Vergleich. Das Aktionsjahr 2023 für mehr digitale Kompetenz ist ein hervorragender Zeitpunkt, um den Turbo zu zünden und eine Neuausrichtung zu starten – zumal die EU ein solches Vorhaben unterstützt. 

Informatik als Pflichtfach bereits früh in der Schule mit weiteren Aufbaukursen und zusätzlicher Vermittlung von Medienkompetenzen und dem Sicherheitsaspekt im Netz wären ein Anfang.

Quelle Beitragsbild: Shutterstock/Gorodenkoff

Autor

Stefan Ruhl

Bildung gehört zu den wichtigsten Errungenschaften unserer Gesellschaft. Ohne sie würden wir noch in Höhlen sitzen und Feuer als Magie betrachten. Deshalb schreibe ich unter anderem über die Themen Bildung, Ausbildung und Lehre.