Haarspende: „Weil das Lächeln eines schwerkranken Menschen so viel mehr Wert ist als die eigene Eitelkeit“

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Wir alle wissen es: Haare sind viel mehr als nur ein Schutz vor Wärme und Kälte. Nicht umsonst wird aus einer langen Mähne oft ein frecher Kurzhaarschnitt, wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ein anderer Schnitt, und schon verkörpern wir einen ganz anderen Typen. Kurz gesagt: Haare sind uns wichtig – sie sind Ausdrucks- und Gestaltungsmittel. Ein neuer, schwieriger Lebensabschnitt ist eine Krebserkrankung. Nach außen sichtbar wird diese meistens nach einer Chemotherapie durch den Verlust der Haare. Dies ist meist eine starke zusätzliche emotionale Belastung für die Erkrankten. Um schöne und angenehm zu tragende Perücken anzufertigen, brauchen die Hersteller echtes Haar. Zwei Mitarbeiterinnen der Euro Akademie Pößneck haben sich dazu entschieden, ihre Haare zu spenden.

Eine der beiden Haarspenderinnen, Antje Székely, Schulleiterin der Euro Akademie und Euro-Schulen Pößneck, stand uns Rede und Antwort zum Thema Haarspende. Den letzten Anstoß dazu gab Frau Székely übrigens die Haarspende einer Mitarbeiterin, Ergotherapeutin Elizabeth Woock, die im September plötzlich mit deutlich kürzeren Haaren vor ihr stand. Haarspenden scheint wohl auf eine positive Weise ansteckend zu sein. Wenn Sie Ihre Haare auf jeden Fall behalten wollen, sollten Sie also an dieser Stelle besser nicht weiterlesen.

40 Zentimeter in Richtung „Normalität“

Elizabeth Woock arbeitete als Ergotherapeutin zeitweise auf einer onkologischen Station, einer Station also, auf der auch an Krebs erkrankte Menschen behandelt werden. Viele Patient*innen dort, die zusätzlich zu ihrer Krebserkrankung auch mit dem Verlust ihrer Haare zu kämpfen hatten, bewunderten ihre kräftige, lange Haarpracht. Zu dem Gefühl der Machtlosigkeit kam der Wunsch, helfen zu wollen. Elizabeth Woock informierte sich über die Haarspende. Danach stand ihr Entschluss schnell fest: Der Zopf kommt ab. Weil die Spende aber mindestens 25 cm lang sein muss, ging noch etwas Zeit ins Land, bevor der große Tag am 4. September 2021 da war. Schwer fiel ihr die Spende, beim Gedanken anderen Menschen ein Stück Normalität zurückzugeben, nicht. Stolze 40 Zentimeter können nun zu einer Perücke verarbeitet werden.

Ein gutes Gefühl

Auch Antje Székely hat ihre Haarspende bereits hinter sich. Was sie dazu bewogen hat und welchen Aufruf sie starten würde, um weitere Menschen zum Spenden zu bewegen, lesen Sie im folgenden Interview:

Frau Székely, für viele ist es ein großer Schritt, sich die Haare abschneiden zu lassen – da zählt im Zweifelsfall jeder Millimeter. Sie haben sich entschieden, sich von Ihren langen Haaren zu trennen, um Ihre Haare zu spenden. Wie kam es dazu?

Für mich sind bestimmte Sachen einfach selbstverständlich. Ich bin seit Jahren bei der DKMS registriert, besitze einen Organspendeausweis und gehe regelmäßig Blutspenden. In meiner Familie war und ist Krebs seit geraumer Zeit leider ein sehr großes Thema, aus diesem Grund habe ich mich bewusst mit Hilfsaktionen auseinandergesetzt und bin auf die Möglichkeit der Haarspende gestoßen. Natürlich habe ich mich mit diesem Gedanken erst ein wenig beschäftigen müssen.

Nach den Sommerferien kam dann aber meine Mitarbeiterin, Frau Woock, mit deutlich kürzerer Haarpracht ins Sekretariat und erzählte mir, dass sie ihre Haare gespendet hat. Noch am gleichen Tag hatte dann auch ich meinen Termin vereinbart. Menschen, die sich mit dieser Krankheit auseinandersetzen müssen, brauchen etwas „Normalität“ in ihrem Leben. Gerade für viele Frauen sind es die Haare, welche sie mit ihrer Weiblichkeit assoziieren. Aber auch die Blicke, wenn man offensichtlich eine Glatze hat und klar ist, welches Schicksal man mit sich trägt. Oft überfordert dies. Wenn meine Haare einen Teil davon erträglicher machen, ist es alles Wert gewesen.

Wie war das Gefühl, als der Zopf ab war?

Tatsächlich erstaunlich erleichternd und gut. Ich fühle mich sehr wohl.

Wie läuft so eine Haarspende ab? Brauche ich dafür einen besonderen Friseur?

Ich habe mich direkt auf der Seite haare-spenden.de informiert und registriert. Aber auch auf der Seite der Deutschen Krebshilfe stehen alle wichtigen Infos dazu. Man kann sich die Haare selbst schneiden oder zu einem Friseur gehen. Mit dem Friseur sollte man vorher besprechen, dass man die Haare spenden möchte.

An wen geht Ihre Haarspende?

Meine Spende geht an Rieswick & Partner, Hüpohl 5 & 7, 46342 Velen-Ramsdorf. Diese Firma arbeitet direkt mit der Deutschen Krebshilfe zusammen und spendet ab 30 Zentimetern für jeden weiteren Zentimeter an die Krebshilfe. Ich konnte stolze 40 Zentimeter abgeben.

Manche Menschen haben dickes Haar, andere Locken, viele färben sich die Haare. Können alle Menschen Haare spenden?

Die Haare müssen eine Mindestlänge von 25cm haben. Gefärbte Haare können gespendet werden – sie sind allerdings meist nur für die Reparatur älterer Perücken verwendbar. Dreadlocks, Haare mit chemischer Dauerwelle oder dauerhaft geglättetes Haar sind für Haarspenden nicht geeignet. Auch Haare, die vom Boden aufgehoben wurden und durcheinanderliegen, können leider nicht verwendet werden. Nur Zöpfe können zu Perücken weiterverarbeitet werden.

Wenn Sie einen öffentlichen Aufruf zum Haare spenden verfassen würden, wie sähe der aus?

Weil das Lächeln eines schwerkranken Menschen so viel mehr Wert ist als die eigene Eitelkeit.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch, die Fotos – und warten ab, wer als nächstes mit einem Kurzhaarschnitt vor uns stehen wird!

Bildquelle Beitragsbild: © MaeManee /shutterstock.com

Autor

Tanja Höfling

Von Juli 2017 bis Juli 2022 informierte die ehemalige Online-Redakteurin des Euro Akademie Magazins regelmäßig über Aktuelles und Wissenswertes zu den Themen Ausbildung, Studium und Beruf.