Kinder und Jugendliche in Corona-Zeiten: Solidarität ist keine Einbahnstraße

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Seit fast zwei Jahren beherrscht die Pandemie unseren Alltag. Das ist für Erwachsene schon eine lange Zeit – für Kinder und Jugendliche eine Ewigkeit. Die psychologischen Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern haben so viel zu tun, wie nie zuvor. Jeden Tag werden uns Infektionszahlen, Inzidenzen, Hospitalisierungen und andere Fakten vor die Füße geworfen. Keine Frage, diese Informationen sind wichtig. Sie lassen aber leider auch die Folgen für die Psyche der Menschen, allen voran der Kinder und Jugendlichen, dahinter verschwinden.

Die Kinder und Jugendlichen haben einfach Großartiges geleistet in den letzten 21 Monaten. Sie trugen Masken, hielten Abstand, reduzierten ihre Kontakte zu Gleichaltrigen – die gerade in der Kindheit und Jugend unglaublich wichtig sind. Sie haben ihren Schulalltag so gut es ging gemeistert, trotz Homeschooling und massivem Ausfall von Schulstunden. Die Gesellschaft erwartete von diesen jungen Menschen vor allem eines: Solidarität. Und sie haben geliefert, haben durch das Zurückschrauben ihres eigenen Lebens die Alten und Kranken geschützt.

Keine Maske, kein Abstand?

Und was bekommen sie zurück? Sagen wir mal so: Wie Solidarität fühlt sich das, was gerade passiert, nicht an. Erwachsene gehen feiern – in einer Einladung zu einer großen kulturellen Veranstaltung nach 2G-Regeln steht, dass Maske und Abstandsregeln nicht mehr nötig sind. In Clubs wird wieder getanzt als gäbe es kein Morgen mit Corona mehr, die Fußballstadien sind gut besucht und der Karneval feierte ein fulminantes Comeback nach der Corona-Zwangspause. Dabei ist inzwischen völlig klar, dass auch Geimpfte und Genesene das Virus weitergeben können – auch wenn die Viruslast schneller zurückgeht als bei Ungeimpften und sie so weniger lange ansteckend sind. Die Gefahr der Ansteckung ist geringer, aber sie ist da. Und sie passiert oft unbemerkt, weil es (glücklicherweise) mehr asymptomatische Verläufe der Erkrankung gibt.

Laut Beitrag „Luca-App warnt oft nach Bar und Clubbesuch“ auf zdf.de kommen 75 Prozent der Warnmeldungen aus Clubs und Bars. Knapp drei Viertel aller Corona-Warnungen der Gesundheitsämter in Deutschland, die aus dem System der Luca-App generiert wurden, gingen an Besucherinnen und Besucher von Bars und Clubs. Das geht aus einer anonymisierten Auswertung für den Oktober hervor, bei der über 181.000 ausgespielte Warnmeldungen analysiert wurden. Erfasst wurden Warnhinweise per App und Anrufe bei Nutzer*innen der App durch das Gesundheitsamt.

Aus Kinos, Einzelhandel und Theater kamen hingegen kaum Meldungen.

Verlorene Corona-Generation?

Immer wieder ist von der „verlorenen Corona-Generation“ zu hören: zu selten Treffen mit Freund*innen, zu wenig Schulstoff im Kopf, schlechtere Berufsaussichten. Der Lehrplan wird trotzdem durchgezogen – komme, was wolle. Ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei waren und sind Kinder Jugendliche Belastungen ausgesetzt, die viele von ihnen gar nicht wirklich bewältigen können. Zu den Einschränkungen, die sie selbst betreffen, kommen dann häufig auch noch die Nöte der Eltern hinzu, die sich darum sorgen, ob sie ihren Job auch nach der Corona-Krise noch haben werden.

Das Jugendhilfeportal schreibt im Beitrag „Gesundheitsförderung in der Pandemie – Potenziale der Kinder- und Jugendhilfe“: „Die psychosozialen Folgen von Isolations- und Quarantänemaßnahmen können insbesondere für ‚vulnerable‘ Kinder und Jugendliche weitreichend sein. Das zeigt sich bereits in der aktuellen Gesundheitsberichterstattung für den Zeitraum in der Pandemie. Beispielsweise stieg die Prävalenz für psychische Auffälligkeiten von 17,6% vor der COVID-19-Pandemie auf 30,4% während der Krise (Ravens-Sieberer et al., 2021). Damit wurden während der Pandemie für fast jedes dritte Kind psychische Auffälligkeiten berichtet, während vor der Pandemie etwa jedes fünfte Kind betroffen war. Weiterhin berichteten 24,1% während der Pandemie Symptome einer generalisierten Angststörung, wohingegen dies vor der Krise nur bei 14,9% der Fall war (Ravens-Sieberer et al., 2021).“

Wir alle sind froh, dass Ausgangssperren und die drastische Reduzierung der Kontakte momentan vorbei und die Schulen offen sind. Umso mehr wäre ein verantwortungsvoller Umgang in unserer Freizeit angebracht – damit auch Kinder, Jugendliche, vulnerable Gruppen und Menschen, die keine Impfung erhalten können, gut durch den zweiten Corona-Winter kommen.

„Ich wünsch mir deine Jugend zurück“

Penny hat mit seinem Werbespot „Der Wunsch“ // PENNY Weihnachtswunder 2021“ einen viralen Coup gelandet. Über 4,6 Millionen Mal wurde der vor vier Tagen veröffentlichte emotionale Spot, in dem eine Mutter sich die Jugend ihres Sohnes zurückwünscht, schon geklickt und vielfach kommentiert. Jugendliche und Eltern fühlen sich von dem durchaus auch polarisierenden Werbespot angesprochen und verstanden. Umso stärker, weil sich gerade junge Menschen und Familien von der Politik in der Corona-Krise alleine gelassen fühlten und immer noch fühlen. Dass ausgerechnet ein Discounter den Nerv der Zeit trifft und obendrauf noch 5000 Erlebnisse sowie Ausbildungsplätze verschenkt, ist überraschend. Es wäre an der Politik gewesen, ein offenes Ohr und Einfühlungsvermögen gegenüber der jungen Generation zu beweisen. Kinderärzt*innen und Psycholog*innen haben immer wieder auf Folgen der Corona-Maßnahmen hingewiesen.

Vor dem Treffen ist nach dem Testen

Professor Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe an der Universität Hamburg, erklärt im Interview mit Klaus Kleber im heute JOURNAL vom 15. November 2021, dass das Testen eine wichtige Rolle im weiteren Verlauf der Pandemie einnehmen sollte. Besonders betont er den Schutz vulnerabler Gruppen wie beispielsweise in Senioren- und Pflegeheimen. Aus virologischer Sicht würde auch das Testen, bevor man Veranstaltungen besucht oder in den Club geht, die Sicherheit enorm erhöhen, so der Virologe. 2G plus dort überall anzuwenden, sieht Schmidt-Chanasit allerdings kritisch, weil das Testen nach „Gießkannen-Prinzip“ nicht effizient sei und die begrenzten Ressourcen sprengen würde.

Bleibt uns wieder einmal nur die Eigenverantwortung: Wenn sich alle vor einem Zusammentreffen von vielen Menschen testen lassen und die AHA-Regeln auch weiterhin beachten, können viele Ansteckungen und auch Impfdurchbrüche vermieden werden. Das wäre im Sinne der Freiheit und des Gesundheitsschutzes für alle eine vielversprechende Maßnahme.

Bildquelle Beitragsbild: © Volurol /shutterstock.com

Autor

Tanja Höfling

Von Juli 2017 bis Juli 2022 informierte die ehemalige Online-Redakteurin des Euro Akademie Magazins regelmäßig über Aktuelles und Wissenswertes zu den Themen Ausbildung, Studium und Beruf.