Puppenspiel für Senioren

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Bei der Betreuung von Senioren, insbesondere von Demenzpatienten, spielt der Einsatz von Puppen eine immer größere Rolle. Was vor gar nicht so langer Zeit noch als lächerlich und entwürdigend verschrien war, hat bereits einschneidende Erfolge erzielt. In Zukunft sollen Puppen selbst ohne Kontaktperson in der Nähe helfen.

Bunt, weich, lustig anzusehen und meistens vorlaut – so treten Handpuppen auf Straßenbühnen, im Theater und in Kinderfernsehsendungen auf. Dass sie einmal im Bereich der Altenpflege von Nutzen sein könnten, wäre lange Zeit undenkbar gewesen. Und tatsächlich ist es für Außenstehende im ersten Moment etwas befremdlich, wenn eine erwachsene Person mit zwei Händen in einem Spielzeug und verstellter Stimme zu einem Demenzpatienten spricht. Ein bisschen wirkt es, als würde der Puppenspieler sich über den Kranken, der womöglich den Unterschied zwischen Spiel und Wirklichkeit nicht mehr ganz wahrnimmt, lustig machen wollen.

Dabei ist der Hintergrund ein ganz anderer. Denn auf den zweiten Blick erkennt man, dass Menschen, die sich sehr in sich selbst zurückziehen, auf die ungewohnte Ansprache reagieren. Sie treten aktiv in das Gespräch ein, lachen und können teilweise sogar dazu animiert werden, ihre Bewegungsübungen auszuführen.

Die Patienten abholen, wo sie stehen

Warum der Zugang zu den Senioren über eine Puppe so gut funktioniert, liegt tatsächlich am Charme des kleinen Fratzes. Ein Großteil der dementen Patientinnen ordnet sich zeitlich in die Phase nach der Geburt ihrer Kinder ein und ist besonders empfänglich für kindliche Ansprechpartner. Daher ist es wichtig, dass die Puppen Kindern ähnlich sind. Mit etwa 60 Zentimetern Größe, runden Köpfen nach dem Kindchenschema und einer hohen Stimme können sie den Fokus der Seniorinnen schnell auf sich ziehen.

Durch die vermeintliche Mutterrolle erwacht in einigen der Patientinnen ein starker Beschützerinstinkt. Der dadurch entstehende Handlungsdrang findet in dem Gespräch mit der Therapiepuppe einen sinnvollen Ausgang. Sie ist quasi etwas zum Liebhaben. Dieses Rollenbild ist allerdings vermutlich auch der Grund, weshalb das Puppenspiel bei Männern generell nicht ganz so viel Erfolg zeigt.

Damit eine Assoziation überhaupt klappen kann, müssen die Figuren natürlich lebensecht wirken. Aus diesem Grund verfügen sie auch über Beine und können stehend gespielt werden. Bewegen lassen sich nicht nur die Arme, sondern ebenso der Mund und sogar die Zunge. So lässt sich auch ein Mienenspiel darstellen.

Was soll das Ganze?

Durch die Unterhaltung zwischen dem Senior und der Puppe entsteht schnell Vertrauen. Das ist Gold wert. Während Patienten bei Pflegekräften teilweise abblocken oder trotzen, sind sie bei den quirligen Kerlchen eher zur Kommunikation bereit und öffnen sich. Betreuer erhalten somit die Möglichkeit, mehr über Sorgen, Beschwerden oder psychische Probleme der Senioren zu erfahren. Mit der Vertrauensfigur bestehen außerdem gute Chancen, zu Maßnahmen, Behandlungen, Übungen, Medikamenteneinnahme und mehr zu animieren, was ansonsten eher ungeliebt ist.

Und natürlich ist der Effekt, den wirklich jedes Kind in Verbindung mit Puppen kennt, nicht zu unterschätzen: Spaß! Heutzutage weiß man in der Pflege, dass der Gesundheitszustand stark mit der inneren Einstellung und den Gefühlen zusammenhängt. Durch den Einsatz von Therapiepuppen können Demenzpatienten sichtlich aufgeheitert und sogar zum Lachen gebracht werden. Das tut nicht nur ihnen gut, sondern auch dem Heimpersonal und den Angehörigen.

Wie sieht die Zukunft aus?

Puppen für Senioren

© Matthies Spielprodukte GmbH & Co. KG

Das klingt in der Theorie großartig, doch wer sitzt den ganzen Tag mit den Händen in Therapiepuppen bei den Senioren? Leider besteht in der Altenpflege immer noch ein großer Mangel an Fachpersonal. Die vorhandenen Kräfte müssen sich ihre Aufgaben einteilen. Häufig bleibt dann kaum noch Zeit für besondere Maßnahmen, wie den Einsatz einer Therapiepuppe.

Bei Menschen, deren Krankheitsverlauf noch nicht so weit fortgeschritten ist, braucht es diesen Aufwand aber nicht zwingend. In Zukunft wird es noch eine andere Sorte von Puppen geben. Auch diese sollen zur Kommunikation anregen und auf den Gefühlszustand der Senioren eingehen – allerdings ohne Hand im Rücken.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „OurPuppet“ soll vor allem informell Pflegende unterstützen. Ziel ist es, eine animierte Puppe anzubieten, die den Gesundheits- und Gefühlszustand des Pflegebedürftigen misst, somit Notfälle erkennt und Hilfe alarmiert. Zusätzlich soll sie ein Ansprechpartner sein, der für den Senior da ist, selbst wenn die Angehörigen nicht vor Ort sein können. Das Vorhaben klingt ambitioniert, doch mit dem Partner Matthies Spielprodukte, der langjährige Erfahrung in der Fertigung von Handpuppen hat, soll das möglich gemacht werden.

Mit Sensoren werden die Emotionen des Gegenübers gedeutet und die Reaktion mittels Lautsprecher und Mimik entsprechend angepasst. Sogar eine Stimmanalyse kann die Puppe der Zukunft vornehmen, um kleine Veränderungen im Gemütszustand wahrzunehmen. Ein Armband misst zusätzlich den Puls und den Hautwiderstand. Die Puppe bietet sozusagen eine Rundumversorgung, beruhigt in Stresssituation durch Zuspruch, vermindert das Gefühl des Alleinseins und erinnert auch mal daran, dass wieder etwas getrunken werden muss.

Wer den Film „Robot & Frank“ kennt, wird sich vielleicht nun daran erinnert fühlen. Auch dort wird einem alleinlebenden älteren Herrn ein technischer Begleiter zur Seite gestellt, der auf ihn achten soll. Zwar kann „OurPuppet“ nicht wie im Film mit der betreuten Person einkaufen gehen oder verrückte Unternehmungen durchführen, aber es ist definitiv ein Weg, der das Leben einiger Senioren verbessern und das einiger Angehöriger erleichtern kann.

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.