10. Dezember: Tag der Menschenrechte

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Was diejenigen wissen, die die WM trotz aller Debatten verfolgen: Heute stehen sich im Viertelfinale in Katar am Nachmittag Marokko und Portugal gegenüber, am Abend trifft England auf Frankreich. Was viele nicht wissen: Heute vor 74 Jahren verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Am 10. Dezember 1948 wurden Rechte definiert, die allen Menschen von Geburt an uneingeschränkt zustehen. Anlass genug, einen Blick auf das Thema Menschenrechte zu werfen.

Menschenrechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wird zu Recht als eine Antwort auf die Barbarei des Nationalsozialismus gesehen. Viele Staaten standen unter dem Eindruck der Verbrechen des Hitler-Regimes und wollten sichergehen, dass sich eine solche Tragödie nicht noch einmal wiederholen wird. Aus einer Kriegsallianz von anfangs 25 „Vereinten Nationen“ entwickelte sich die gleichnamige Weltorganisation. Sie gründete sich im Frühsommer 1945 in San Francisco und war zu diesem Zeitpunkt bereits auf 50 Staaten angewachsen. Heute sind ganze 193 Staaten weltweit als Mitglied in der UN vertreten. Durch die breite Beteiligung von Menschen aus unterschiedlichen Kontinenten konnten auch ganz unterschiedliche Rechtskulturen in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte eingebracht werden. Gerade die Delegierten kleinerer Staaten initiierten wichtige Diskussionen: ein Vetorecht der Großmächte, das Selbstbestimmungsrecht aller Völker, auch der Nationen unter Kolonialherrschaft oder Treuhandschaft, und die Anerkennung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

So sollen Faktoren wie Herkunft, Geschlecht, Alter, Religion oder politischer Überzeugung bei der Gewährung der Menschenrechte keine Rolle spielen. Die Erklärung vereint in ihren 30 Artikeln also sowohl politische als auch soziale Rechte, die jedermann zustehen. 

Keine Menschenrechte

Dennoch erleben Millionen von Menschen in allen Teilen der Welt tagtäglich, dass ihnen Rechte verwehrt werden.

Russland

In Russland etwa herrschen menschenunwürdige Zustände in den Gefängnissen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Im Dezember 2015 unterschrieb Präsident Putin ein neues Gesetz. Dieses spricht dem Verfassungsgericht das Recht zu, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs auf ihre Tauglichkeit für das eigene Land prüfen zu dürfen. Das bedeutet, dass der Vorrang des internationalen Menschenrechts in Russland erneut in Frage gestellt ist.

China

In der Volksrepublik China ist der Schutz der Menschenrechte zwar seit 2004 in der Verfassung verankert, wird aber eher als Instrument zur Machterhaltung genutzt. Staatspräsident Xi Jinping, der seit 2013 regiert, unterdrückt und überwacht alle gesellschaftlichen Kräfte, die sich für freie Meinungsäußerung und autonome Interessensvertretung einsetzen, unter anderem Rechtsanwält*innen, Richter*innen und Arbeiteraktivist*innen. Das Gesetz zur Nationalen Sicherheit, das 2015 verabschiedet wurde, erleichtert es, unbequeme Kritiker*innen und Aktivist*innen abzustrafen. Die aggressiven Reaktionen des Staates auf demokratische Bewegungen und öffentliche Proteste haben gezeigt, dass politisches Engagement für Freiheit und Menschenrechte in dem autoritären Land einen hohen Preis haben. Ob die Demonstrationen zur Zero-Covid-Strategie einen Wandel bringen, muss sich zeigen.

Naher Osten

Im Nahen Osten flammte nach dem Arabischen Frühling von 2010/2011 die Hoffnung auf politischen Wandel und mehr Freiheiten auf. Stattdessen prägen heute Repression, Bürgerkriege, Dschihadismus, Folter, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, Einschränkung der Pressefreiheit und die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten viele Länder der Arabischen Liga. 

Neben diesen politischen Schwierigkeiten, die nur einen kleinen Ausschnitt des Weltgeschehens abbilden, sind aber auch andere grundlegende Menschenrechte in Gefahr.

Gesundheit

Beispielsweise das in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte postulierte Recht „auf einen Lebensstandard, der […] Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung“. Gerade für Länder des globalen Südens ist es eine Herkulesaufgabe, ihrer Bevölkerung den Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Ein funktionierendes Gesundheitssystem auf solidarischer Basis müsste vom Staat geschaffen werden. Ganz im Gegenteil ist aber weltweit ein Trend zu Privatisierung und Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung zu erkennen, der weltweit etwa 100 Millionen Menschen in Armut rutschen lässt, weil sie hohe, privat zu tragende Krankheitskosten aufbringen müssen.

Wasser

Was ist weiterhin mit dem Menschenrecht auf Wasser? Laut Schätzungen von Unicef und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben weltweit 663 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Können hier auch Wirtschaftsunternehmen in die Verantwortung genommen werden, obwohl diese nicht dem Völkerrecht unterliegen?

Wie Sie sehen, ist die Menschenrechtsthematik ein weites Feld, das mehr Fragen aufwirft, als es Antworten liefert.

Bildquelle Beitragsbild: © Danhood/shutterstock.com

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.