Ausmisten und Wegschmeißen: Leid oder Befreiung?

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Wer kennt den guten Vorsatz nicht, zu Beginn eines neuen Jahres mal so richtig „klar Schiff“ zu machen, aufzuräumen und auszumisten? Die Kisten stehen bereit. Zuerst soll das vollgestellte Regal dran glauben. Ein beherzter Griff zu einer fein geschnitzten Holzdose. Ein Mitbringsel aus dem unvergesslichen Backpacker-Urlaub auf Bali. Darin: Ein Sammelsurium aus Kleingeld, Büroklammern und Schrauben – Dinge, die eigentlich woanders hingehören. Brauche ich die Dose noch? Eigentlich nicht, aber ihr Anblick versetzt mich zurück in Zeiten purer Freiheitsgefühle. Die kann ich doch nicht wegschmeißen!

So geht es Stück um Stück. Am Ende ist das Regal fast genauso vollgestellt wie vorher und die halb gefüllte Kiste kommt in den Keller und verstaubt in einer Ecke – ziemlich frustrierend.

Ausmisten ist gar nicht so leicht. Dinge können erstaunliche Haftkraft entwickeln und heftigen Trennungsschmerz auslösen. Warum heben wir so viel unnötiges Zeug auf und warum fällt es uns so schwer, uns davon zu trennen?

Das Sammeln steckt tief in uns drin

Der Trieb zum Horten und Sammeln steckt tief in unseren Genen. Früher war es überlebenswichtig, Vorräte zu sammeln und Reserven anzulegen. Doch nicht nur der Drang, Dinge für schlechte Zeiten aufzuheben, spielt eine Rolle. Gegenstände können mit uns verwachsen und zu einem Teil der Identität werden. Die Dose aus Bali verkörpert einen Teil der Besitzerin, der jung und frei ist. Sie wegzuschmeißen wäre wie diesen Part von sich ad acta zu legen.

Der Wert der Dinge lässt uns nicht los

Der Gedanke an den Wert der Dinge spielt auch eine große Rolle. Schließlich haben die Sachen einmal Geld gekostet. Sie können doch nicht einfach weggeworfen werden, selbst, wenn sie inzwischen alt und schäbig sind. Werfen wir sie weg, ist der Restwert – war er auch noch so klein – verloren.

„Es hat ja auch etwas Sympathisches und Positives, wenn man nicht gleich alles, was alt ist, wegwirft“, meint der Psychotherapeut und Psychiater Ulrich Voderholzer der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee im ARD-Podcast „Wie wir ticken“. Problematisch werde es dann, wenn Menschen gar nichts mehr „loslassen“ könnten und eine Blockade beim Wegwerfen entwickeln. Etwas zu entsorgen bereitet ihnen Stress-, Panik- oder Angstzustände. Alles wird gesammelt und behalten, bis die Wohnung oder das Haus aus allen Nähten platzt. In extremen Situationen sind dann Bereiche des Wohnens gar nicht mehr zugänglich. Den Betroffenen ist es peinlich, jemanden zu sich nach Hause einzuladen, was zur sozialen Isolation führen kann.

Wenn das Horten zwanghaft wird

Am pathologischen Horten – also an der dauerhaften Unfähigkeit sich von Besitztümern zu trennen – leiden laut der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen bis zu fünf Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland, also ungefähr jeder 20. Mensch.
Krankhaft ist ein Verhalten dann, wenn es zwanghaft wird und Leid auslöst. Die Betroffenen wissen, dass es nicht richtig und gut für sie und ihren Mitmenschen ist, können sich dem Drang aber nicht entziehen. In solchen Fällen sollten sich diese Menschen professionell helfen lassen und eine Beratungsstelle oder eine psychotherapeutische Praxis aufsuchen.

Systematisches Ausmisten mit „Decluttering“

Doch die meisten Menschen schaffen es am Ende doch, sich aufzuraffen und mit dem Ausmisten zu starten. Auch wenn es einem manchmal schwerfällt, so kann das Sich-Trennen von Dingen auch sehr befreiend sein. „Decluttering“ ist eine Methode, sich von nutzlosem und überflüssigem Besitz loszusagen. Das englische Wort „Clutter“ bedeutet Unordnung oder Krims-Krams und „to declutter“ meint dementsprechend, Ordnung ins Durcheinander zu bringen. Das Grundlegende hierbei ist, kleinschrittig vorzugehen und sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen.

Und wie „decluttet“ man am besten? Hier sind fünf Schritte, wie du beim Ausmisten vorgehen solltest:

1.) Eine gute Planung ist die „halbe Miete“

Zuerst solltest du jeden Raum einmal durchgehen und aufschreiben, welche Bereiche es am nötigsten haben, entrümpelt zu werden und welche schnell abgearbeitet werden können. Die erledigten Punkte können dann auf der Liste abgehakt werden – gut für die Motivation. Hierbei solltest du in kleinen Schritten denken: Vielleicht reicht es im Arbeitszimmer ja erstmal, wenn der Schreibtisch ordentlich aussieht. Die Bereiche sollten nach dem eigenen Empfinden priorisiert und auf der Liste farblich unterschiedlich markiert werden. Welche Ecke erkläre ich als „Kruscht-Hotspot“, die als erstes dran glauben muss? Großprojekte sollten möglichst vermieden werden, da sie einen schnell überwältigen können.

2.) Schnelle Erfolge motivieren zum Weitermachen

Starte am besten in den Bereichen, die am schnellsten zu erledigen sind und danach sichtbar aufgeräumt aussehen. Ein schnelles Erfolgserlebnis lässt dich am Vorhaben dranbleiben.

3.) Kategorien festlegen

Das Ausmisten sollte von Anfang an in folgenden Kategorien ablaufen:

  • Behalten
  • Weggeben/Wegwerfen
  • Aufbewahren auf Zeit
    Hier werden Dinge, von denen man sich nicht gleich trennen kann in einer Kiste, zum Beispiel im Keller, für eine bestimmte Zeit aufbewahrt und es wird geprüft, ob sie in dieser Zeit noch gebraucht werden. Hat man die Kiste beispielweise ein Jahr nicht angerührt, dann kann sie getrost abgegeben werden.

4.) Ordnung bewahren

Hast du es endlich geschafft, alles ordentlich zu machen, wäre es sehr frustrierend, wenn nach einer Woche alles so aussieht wie vorher.
Dinge, die sicher behalten werden sollen, bekommen einen festen Platz, an den sie auch immer wieder zurück geräumt werden. Am besten werden sie in der Nähe aufbewahrt, wo sie auch benutzt werden.

5.) Weggeben und bekommen

Nichts motiviert doch mehr, als etwas zu verschenken mit dem Wissen, damit anderen eine Freude zu machen. So kann die Trennung von einem noch guterhaltenen aber kaum getragenen Kleidungsstück zu einem positiven Erlebnis werden, wenn man es einer sozialen Organisation schenkt. Oder wenn es Freudestrahlen beim Kleidertauschmarkt auslöst.
Auch das Erlebnis, den Dingen noch ein zweites Leben zu schenken, indem man sie auf dem Flohmarkt oder auf digitalen Secondhand-Shops verkauft und dabei noch ein wenig Geld verdient, kann auch sehr motivierend sein. Dies sollte man aber nicht lange herauszögern, sondern am besten direkt nach dem Ausmisten in Angriff nehmen.

Titelbild: Elnur/shutterstock

Autor

Ellen Jöckel

„Die Voraussetzung für Wissen ist die Neugier.“ (Jaques-Yves Cousteau) Ich liebe es, mich in Themen reinzuarbeiten, sie zu verstehen und dann darüber zu schreiben. Deswegen ist das Euro Akademie Magazin mit seinen Themenwelten aus unterschiedlichen Bildungsbereichen die ideale Plattform, um mich journalistisch „austoben“ zu können.