Besuch vom Nikolaus – Zwischen Vorfreude und Angst

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Der 6. Dezember ist der Tag des Heiligen Sankt Nikolaus, dem Beschützer von Kindern, Frauen, Bettlern, Dieben und vielen mehr. In zahlreichen Kindergärten, Kitas und privaten Haushalten kommt er sogar persönlich vorbei. Obwohl der hilfsbereite Menschenfreund dabei die Kinder glücklich machen soll, haben stattdessen einige Angst vor ihm.

Die Zeit der Weihnachtsfeiern rückt näher und damit auch die Zeit für Besuche des Nikolaus’. Die ersten gemütlichen Punsch- und Plätzchenrunden haben Sie vielleicht sogar schon hinter sich. War dort auch der Mann mit dem Rauschebart zu Gast? Wenn ja, haben Sie vielleicht festgestellt, dass Kinder sehr unterschiedlich auf die legendäre Figur reagieren und möglicherweise erinnern Sie sich auch selbst noch an Ihre Gefühle, als Sie klein waren und vor dem Nikolaus standen. Haben Sie sich gefreut oder hatten Sie Angst?

Glücksgefühl oder Bauchschmerzen?

Viel zu oft ist von Freude bei den Kleinen keine Spur. Das ist schade, wollen Eltern und Erzieher durch eine Feier mit Nikolaus doch die weihnachtliche Magie ins Haus holen, eine besondere Atmosphäre schaffen und den Kindern damit einzigartige Erlebnisse schenken.

Letzteres gelingt wohl auch, aber in anderem Maße als gewünscht. Viele Erwachsene erinnern sich nur zu genau an das Klingeln des Nikolaus’ an der Tür in ihrer Kindheit und den anschließenden raschen Spurt unter den Tisch. Auch die riesige Erleichterung blieb ihnen im Gedächtnis, wenn damals einmal beschlossen worden war, dass in dem Jahr nur die Stiefel vor die Tür gestellt werden sollten.

Bedrohung durch den Behüter der Kinder?

Ein bisschen merkwürdig ist das auf der einen Seite schon. Immerhin ist der Nikolaus unter anderem der Schutzpatron der Kinder. Er kommt, um ihnen Geschenke zu bringen, lacht auf allen Bildern und sieht mit den roten Bäckchen, dem weißen Bart und dem prachtvollen Gewand doch ganz nett aus.

Auf der anderen Seite tritt allerdings ein fremder Mann mit schweren Stiefeln über die Türschwelle. Die hohe Mitra, die Bischofsmütze, lässt ihn gerade für Kinder besonders groß und etwas bedrohlich erscheinen. Sein Auftritt wirkt dann häufig, als habe er extrem viel Autorität – mehr noch als die Erzieher oder Eltern. Wie oft kommt es schließlich vor, dass ein Unbekannter eintritt, sich vor allen, auch den Erwachsenen, aufbaut und einen Vortrag hält, dem sie gehorsam lauschen?

Zudem wissen alle Dreikäsehochs, dass er es auf sie „abgesehen“ hat, er kommt nur ihretwegen. Was er allerdings genau vorhat, können sie nur raten. So viel Aufmerksamkeit von einem fremden Mann, der offensichtlich in der Hierarchie über den vertrauten Erwachsenen steht, kann durchaus einschüchtern. In den Augen der Kinder ist es schließlich eher fraglich, ob die Erzieher und Eltern ihnen gegenüber dem Nikolaus überhaupt beistehen könnten, falls nötig.

Die Dos und Don’ts

Vorbereitung auf den Nikolaus

Etwas von der Angst können Sie den Kleinen vorab schon nehmen. Die Kinder sollten auf den Nikolaus vorbereitet werden: Wer ist dieser Mann? Was hat er Gutes getan? Warum besucht er uns? Was will er von uns? Durch die Antworten auf diese Fragen wird die Figur zwar nicht plötzlich zum besten Freund, aber sie ist nicht mehr die große Unbekannte.

Halten Sie dennoch Maß mit Ihren Geschichten. Übertreiben Sie es mit dem Thema Nikolaus im Alltag, rückt der Tag immer gewaltiger näher und ist an große Erwartungen, Spekulationen und viel Aufregung geknüpft. Zudem signalisieren Sie, dass Ihnen selbst viel daran liegt, was die Kinder wieder unter Druck setzt.

Kein Gesetzeshüter

Wichtiger als Ihre Erzählungen ist allerdings das, was Sie weglassen. Früher war es üblich, den Nikolaus als Disziplinarmaßnahme einzusetzen. Sein großes, manchmal goldenes Buch listete alle Übeltaten und Ungehorsamkeiten des Kindes auf. Als Strafe gab es Schläge beziehungsweise einen Klapps mit der langen Rute auf den Hintern. Teilweise mussten die Kleinen erst über den Stab springen, der danach auf ihren Po sauste.

In einigen Haushalten wird die Tradition heute noch so fortgeführt. Bei diesen Aussichten ist es klar, dass die Kinder sich aus Angst verstecken. Da hilft es auch nichts, wenn statt Nikolaus Knecht Ruprecht für das Bestrafen zuständig ist.

Sind diese Gedanken einmal im Kopf der Kleinen, tut deren Fantasie ihr Übriges. Die Befürchtung, geschlagen zu werden, ist schon schlimm genug. Doch einige glauben sogar, dass sie, wenn sie zu unartig waren, in den Sack des Nikolaus gesteckt und mitgenommen werden.

Sie können die Kinder natürlich nicht vor allen als lustig erachteten Äußerungen von Bekannten, Nachbarn oder Verwandten abschirmen. Schließlich wird die disziplinierende Rute sogar im berühmten Gedicht „Knecht Ruprecht“ von Theodor Storm erwähnt. Vermeiden Sie es aber, selbst leichtfertig darüber zu witzeln. Sollte es bei Ihren Schützlingen Besorgnis zum Thema Nikolaus geben, ist es wichtig, dass sie mit Ihnen darüber reden können und Sie die Wogen wieder glätten.

Auf einer Ebene

Zusätzlich hilft es in privaten Haushalten, den Nikolaus nicht wie den König vor seinen Untertanen aufzubauen. Beziehen Sie ihn lieber in Ihre kleine Feier mit ein. Der Nikolaus kann sich kurz mit an den Tisch setzen, vielleicht will er – wenn es der Bart erlaubt – sogar etwas trinken und ein paar Plätzchen naschen. Dadurch wirkt er nicht allzu groß, mächtig und unnahbar. Aus der distanzierten Respektsperson kann auf diese Weise tatsächlich ein Freund der Kinder werden.

Auch im Kindergarten und in der Kita kann er statt eines hochtrabenden Vortrags einfach ein halbwegs normales Gespräch mit den Erziehern und einigen Kindern führen. Wichtig ist, dass er sich selbst sympathisch verkauft und nicht als rutenschwingender Gesetzeshüter auftritt. Damit bleibt der Besuch in schöner Erinnerung und die Kinderaugen strahlen am Nikolaustag wieder.

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Foto: Sasche Hübers / pixelio.de

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.