Bewerberauswahl per Algorithmus: mit KI zum Traumjob?

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Vorbei ist die Zeit, in der Personaler stapelweise Bewerbungsschreiben auf ihrem Schreibtisch liegen hatten – inzwischen werden mehr als 80 Prozent der Bewerbungen online abgewickelt. Das ist für beide Seiten schneller, günstiger und bequemer. Für die Jobanwärter hat die digitale Bewerbung aber einen entscheidenden Nachteil: Oft ist es kein Mensch, der entscheidet, wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Stattdessen analysieren Algorithmen die Bewerbungsunterlagen und treffen die erste Personalauswahl.

Immer mehr Unternehmen setzen bei der Bewerberauswahl auf künstliche Intelligenz (KI). Besonders in den USA und Asien ist die digitale Talentrekrutierung schon Trend – der aber mehr und mehr nach Europa schwappt. Für die Personaler überwiegen natürlich die Vorteile, schließlich können die Bewerbungen mit Algorithmen viel schneller analysiert und aussortiert werden. Doch wie ist das für die Kandidaten?

Keywords machen die KI glücklich

Mit einer kreativen Bewerbung, lustigen Sprüchen oder extravagantem Layout kann man beim Roboter-Recruiter nicht punkten. Auch ein hübsches Foto ist ihm egal. Stattdessen scannt er den Text auf Schlüsselwörter. Nicht die typischen Phrasen wie „teamfähig“ oder „motiviert“, die man wahrscheinlich in jeder Bewerbung findet. Hier geht es um Keywords, die zur ausgeschriebenen Position passen und dem Arbeitgeber wichtig sind. Wie Sie diese Begriffe finden? Ganz einfach: Lesen Sie die Stellenanzeige. Fachkenntnisse und Kompetenzen, die hier verlangt werden, sollten Sie auf jeden Fall erwähnen – dann bringt der Algorithmus Sie schnell ins Vorstellungsgespräch.

In den USA sind die Unternehmen schon einen Schritt weiter: hier bewerten die Computer auch Job-Interviews. Auf der Plattform HireVue zum Beispiel werden Kandidaten während der Beantwortung der Interviewfragen und dem Lösen verschiedener Tests gefilmt. Die Software analysiert dabei die Mimik – und kann dem Arbeitgeber so eine detaillierte Auswertung über die Charaktereigenschaften und die Fähigkeiten der Bewerber übermitteln.

Algorithmen diskriminieren nicht

Im ersten Moment klingt das nach dystopischer Romanfantasie. Jedoch: Menschen bewerten Andere oft nach dem Aussehen, dem Geschlecht oder der Herkunft, bewusst oder unbewusst. Eine KI kann keine Vorurteile haben und diskriminieren, für sie zählen nur Daten und Fakten. Ist es da nicht besser, den Computer die Bewerberauswahl treffen zu lassen?

Aber leider ist auch das beste System nur so gut wie die zugrundeliegenden Daten. Der Versandhändler Amazon musste zum Beispiel seine Bewerbungssoftware abschalten, weil Frauen systematisch benachteiligt wurden. Die KI bewertete die Kandidaten anhand der Merkmale früherer erfolgreicher Bewerbungen. In diesem Fall waren die Angestellten aber hauptsächlich männlich, woraus die Software schloss, dass Männer mehr Begeisterung für die Firma zeigten – die Frauen wurden herausgefiltert. Das bedeutet natürlich nicht, dass Algorithmen immer diskriminieren. Eine Recruiting-Software kann fairer und objektiver bewerten als jeder Mensch, wenn sie mit den richtigen Daten gefüttert wird. Blind vertrauen sollte man ihr aber nicht.

Das Ende der Personalabteilungen?

Es ist abzusehen, dass in den nächsten Jahren immer mehr Unternehmen auf KI und Algorithmen im Bewerbungsprozess umsteigen werden. Das bedeutet aber nicht, dass alle Personaler um ihren Job fürchten müssen. Vielmehr werden sich die Aufgabengebiete verändern. Durch die Roboter-Kollegen bleibt der HR-Abteilung mehr Zeit für ausführliche Mitarbeitergespräche, Personalentwicklung und Teambuilding. Und davon könnten dann alle Arbeitnehmer profitieren.

Autor

Anna Rüppel

Anna Rüppel ist mit 1,78 m die Größte, wenn es um Ausbildung und Beruf geht. Als Kind war sie kleiner. Von April 2019 bis November 2022 schrieb sie kleinere und größere Artikel für das Euro Akademie Magazin.