Der Beruf Erzieher*in – Einblick in die Aufgaben und Anforderungen

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Der Beruf Erzieher*in wird von vielen Menschen unterschätzt. Das Klischee der „kaffeetrinkenden Basteltante“ kursiert als Vorurteil in den Köpfen einiger Menschen. Aber was steckt eigentlich hinter dem Beruf? Wie sieht die Realität aus? In diesem Artikel zeigt uns Verena Schneppel, Leiterin der KITA Waldräuber in Berlin, was sich alles hinter dem klassischen Berufsbild verbirgt.

Die Autorin: Verena Schneppel ist Leiterin der KITA Waldräuber in Berlin

Erziehung und Bildung – Kinder gezielt bei ihrer Entwicklung begleiten und fördern

Mit den Kindern Lieder einstudieren, Mitmachgeschichten vorlesen, Collagen basteln, Gesellschaftsspiele spielen, das Bewegungsspiel „Feuer Wasser Sturm“ anleiten, etc. – all das gehört zum Berufsalltag einer pädagogischen Fachkraft. Das hört sich erstmal nicht besonders kompliziert an, denn spielen kann doch jeder, oder? Aber bei all diesen Spielen liegt ein besonderer Fokus auf die Förderung der sozialen Gemeinschaft und Beobachtung der Kinder. Die Erzieher*innen müssen im Stande sein, Stärken und Schwächen der Kinder herauszufinden. Das gilt für die Gruppenerzieher*innen, die für alle Aktivitäten im Gruppenverband zuständig sind, als auch für die Kolleg*innen, die im (teil-)offenen Bereich jedes Kind genau im Blick behalten.

In der KITA Waldräuber ist dabei die ganzheitliche Förderung wichtig – durch Bewegung und Spiel sammeln die Kinder dabei bedeutende Erfahrungen. Der pädagogische Schwerpunkt der KITA Waldräuber liegt im Bereich der Naturpädagogik. Aufgrund der idealen Lage zum Tegeler Forst, zum Flughafensee und zum Tegeler See lernen die Stadtkinder Berlins bei Exkursionen in den Wald die Natur kennen und schätzen. Spiel- und Bastelmaterialien wie z.B. Tannenzapfen, kleine Stöcke, Eicheln und Kastanien werden von den Kindern im Wald gesammelt.

Beobachtung, Dokumentation und daraus resultierende Schlussfolgerungen

Die Erzieher*innen unterstützen ihre Schützlinge bei der Bewältigung verschiedener Entwicklungsstufen. Die einzelnen Entwicklungsfortschritte werden im Sprachlerntagebuch, in Beobachtungsbögen und in Berichten dokumentiert. Jedes Kind hat verschiedene Interessen, Neigungen und Kenntnisse, die ausbaufähig oder bereits sehr gut gefestigt sind. Erzieher*innen müssen dieses Potenzial zunächst erfassen um es zu fördern und um gezielte pädagogische Angebote zu entwickeln. Die Stärken der Kinder sollen unterstützt werden und das Selbstbewusstsein entwickelt und gefestigt. Schwächen werden ausgeglichen und die Kinder gezielt gefördert.

In unserer Kita nutzen wir das praktische Beobachtungsverfahren „die Entwicklungsschnecke“. Dabei handelt es sich um einen Beobachtungsbogen, angefangen im Krippenbereich und fortgeführt im Elementarbereich, der den Fokus auf das Beobachten legt. Dabei werden sechs Bildungsbereiche betrachtet: das Spielen, das Sprechen/Hören/Sehen, das Denken, die Bewegung, die Lebenspraxis und das Sozialverhalten bzw. Emotionalität.  Mithilfe dieses Beobachtungsbogens ist es möglich, Aufschluss über die Fähigkeiten und Stärken der Kinder zu erhalten. Bei Elterngesprächen tauschen sich Eltern und Erziehungsberechtigte dann mithilfe des Bogens über die Fähigkeiten der Kinder aus und können gemeinsam über den möglichen Förderbedarf entscheiden.

Die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieher*innen

Die Kooperation mit den Eltern macht einen wichtigen Teil der Arbeit als Erzieher*in aus. Die Partnerschaft findet ihren Ausdruck z.B. in den täglichen Tür- und Angelgesprächen beim Bringen und Abholen der Kinder, beim Führen von Entwicklungsgesprächen, bei Elternabenden, bei Festen und Feiern sowie Projektveranstaltungen. Sehr wichtig für die gelungene Partnerschaft ist dabei die Kommunikation seitens der Kita mit den Eltern und umgekehrt.  Elternbriefe und Aushänge sind Werkzeuge dieser Kommunikation zwischen den Akteuren der Kita. Eine offene Kommunikation auf beiden Seiten schafft dabei die Grundlage für eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit.  Kita- und Bereichsleitung stehen den Erzieher*innen und Eltern dabei jederzeit als Ansprechpartner*innen für Fragen, Informationen und Unterstützung zur Verfügung.

Organisation des Alltags im Kindergarten 

Bei den pädagogischen Fachkräften ist großes Organisationstalent gefragt: Es müssen Ausflüge geplant, Kitafeste vorbereitet und Kindergeburtstage gebührend gefeiert werden. Übergänge von der Krippe in den Elementarbereich und später in die Grundschule müssen gut durchdacht gestaltet werden.  Ein Beispiel: Die erste und sehr wichtige Festlichkeit, die seit der Corona-Pandemie organisiert wurde, war das Zuckertütenfest für die künftigen Schulanfänger*innen. Er bedeutet für die Kinder einen wichtigen Schritt in ihre Zukunft und ist ein erster einschneidender Abschied von einem lieb gewonnenen Umfeld. Aufgrund der Corona-Pandemie haben die Erzieher*innen das Fest den Hygienebedingungen angepasst gestaltet. Die insgesamt 2 Gruppen (ca. 45 Kinder) mussten getrennt feiern und nur jeweils ein Elternteil durfte bei der Schultüten-Übergabe anwesend sein. In diesem überschaubaren, aber dennoch feierlich gestalteten Rahmen konnten die Kinder ihren Abschied von der KITA Waldräuber gebührend feiern.

Alle Mahlzeiten vorbereiten

Im Kindergarten werden die Kinder mit Frühstück, Mittagessen und Vesper versorgt. Mahlzeiten sind viel mehr als nur einfache Nahrungsaufnahme – sie sind auch soziale Lernsituationen. Gemeinsam mit den Kindern den Tisch eindecken und dekorieren, Tischregeln vereinbaren, Tischsprüche lernen, Esskultur vermitteln, über die verschiedenen Speisen sprechen und gesunde Ernährung vermitteln – all diese Tätigkeiten gehören dazu. Dabei werden auch Rituale entwickelt. Der Lieblingstischspruch der Schmetterlings-Gruppe ist in der letzten Zeit:

„Viele kleine Fische, schwimmen heut zu Tische, sie reichen sich die Flossen und dann wird schnell beschlossen, jetzt nicht mehr zu blubbern, stattdessen was zu futtern und alle rufen mit: „Guten Appetit!“.

Übernahme von pflegerischen Tätigkeiten

Während früher viele Kinder erst mit drei Jahren den Kindergarten besuchten, kommen heute viele Kinder deutlich jünger in die Kita. Die drei jüngsten Kinder in unserer Kita sind gerade sechs Monate alt und werden in der Mäuse-Gruppe liebevoll betreut. Vor allem im Krippenbereich haben die pflegerischen Tätigkeiten eine große Bedeutung. Das Windeln wechseln und Füttern nimmt einen relativ großen Raum ein. Wenn die Kinder dann etwas älter sind, geben die Erzieher*innen Hilfestellung beim An- und Ausziehen. Die Förderung der Entwicklung zur Selbstständigkeit spielt dabei eine Rolle.

Das Wissen um die Bedeutung regelmäßiger Zahnpflege wird ebenfalls schon in der Krippe gelegt. Nach den Mahlzeiten gehört das durch die Erzieher*innen angeleitete Zähneputzen zur täglichen Routine. In den Sommermonaten halten sich die Kinder naturgemäß sehr viel im Freien auf. Die Erzieher*innen cremen die Kinder mit Sonnenschutz ein und tragen dafür Sorge, dass diese einen Hut tragen. Alle aufgeführten Tätigkeiten dienen als Beispiele – die Liste könnte noch um zahlreiche Punkte erweitert werden.

Fazit

Abschließend ist festzustellen, dass die Erzieher*innen in unserer Kita täglich eine Fülle von unterschiedlichen Aufgaben im pädagogischen Alltag übernehmen und aus dem Leben der betreuten Kinder nicht wegzudenken sind. Sie sind für die Kinder da, um eine geborgene Atmosphäre zu gestalten, Tränen zu trocknen, aufzupassen, vorzusingen, zu trösten, Bildung zu vermitteln, beim Einschlafen zu helfen, Events vorzubereiten, Projekte zu entwickeln, zuzuhören, Sandburgen mitzubauen, Spielzeugautos zu reparieren, bei den Muttertagsgeschenken beratend zur Seite zu stehen, Geduld zu haben, Konflikte zu schlichten, Kuscheltiere zu suchen, etc. – und natürlich für alles die Verantwortung zu tragen. Sie sind Vorbilder für die Kinder und Unterstützer*innen für die Eltern.

Erzieher*in – ein spannender und vielseitiger Beruf, bei dem die Kleinen das Größte sind. Hier geht’s zur Ausbildung.

Bildquelle Beitragsbild: Eva Kali/shutterstock.com

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