Mein Buch – Eine unschlagbare Wunderwaffe

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Gestern bin ich knapp dem Tod entkommen. Ein Mann hat auf uns geschossen, nachdem er zuvor unser Auto zu Schrott gefahren hatte – wahrscheinlich aus Missgunst. In der Kälte flohen meine Bekannte und ich so schnell es eben ging mit meinem verwundeten Bein und dem Kräfte zehrenden Hunger. Am Waldrand fanden wir Unterschlupf in einer verlassenen Hütte. Sie hatte ein Loch an der Außenwand, durch das wir hineinrobben konnten. Es roch modrig und das Dach war undicht. Dennoch konnten wir den Raum mit einem Lagerfeuer auf dem Boden wenigstens ein bisschen wärmen und noch eine Nacht überstehen.

Ist Ihnen so etwas Ähnliches auch schon einmal passiert? Nein? Dann scheinen Sie kein Bücherwurm zu sein.

Langweilig, anstrengend, zeitraubend – für jemanden, der Lesen als sein liebstes Hobby sieht, ist diese Meinung zu Büchern völlig unverständlich. Beim Aufschlagen betritt er eine faszinierende Welt voller Abenteuer, in der es keine Grenzen gibt. Legt er das Werk beiseite, kann er die Geschichte auf eigene Faust weiterspinnen und selbst Jahre später ist ein gutes Buch wie eine schöne Erinnerung.
Dennoch kommt es im Zeitalter der digitalen Medien und des Web 2.0 für immer weniger Menschen in Frage, in der Freizeit einen Roman in die Hand zu nehmen. Doch eine Lektüre ist nicht nur ein Zeitvertreib, sondern leistet einen großen Beitrag zur eigenen Entwicklung. Diese fehlt den Lesefaulen später – im Privaten ebenso wie im Berufsleben.

Zuverlässiger Sprachgebrauch – zuverlässiger Mitarbeiter

Kennen Sie auch diesen Kollegen, der in jeder E-Mail Rechtschreibfehler hat? Oder den Freund, der immer die gleichen Floskeln benutzt? Solche Kontakte hinterlassen einen negativen Beigeschmack. Die Person wirkt nicht ganz so kompetent, man traut ihr weniger zu und fragt sie seltener um Rat. Wenn der Chef diesen Eindruck gewinnt, ist die steile Karriere schnell dahin.
Regelmäßiges Bücherwälzen schafft Abhilfe, denn mit dem Text werden gleichzeitig Wörter und Ausdrücke aufgesogen, die schließlich in den eigenen aktiven Wortschatz wandern. Zusätzlich hat der Leser die korrekten Buchstabenreihenfolgen ständig vor Augen und bekommt ein Gefühl dafür, ob nun „ofiziell“ oder „offiziell“ richtig aussieht. Wer in der Korrespondenz keine Fehler macht und sich gewählt ausdrückt, hinterlässt einen positiven Eindruck und verdient sich Respekt. Er ist bestimmt dafür geeignet, das nächste Projekt zu betreuen.

Lesen für mehr Sozialität

Doch nicht nur die Aneinanderreihung ausgefallener Begriffe ist im Gespräch mit dem Chef, Mitarbeitern oder Kunden entscheidend. Für gutes Teamwork müssen sich die einzelnen Mitglieder aufeinander einstellen, über Lösungsansätze diskutieren und Kompromisse eingehen. Auch das lässt sich aus Büchern erlernen. Denn, so unglaublich es klingt, die Selbstbeschäftigung Lesen vermittelt Sozialkompetenz und Empathiefähigkeit. In einer Lektüre findet sich nicht einfach eine Geschichte, sondern eine andere Perspektive auf alltägliche Ereignisse. Es werden Figuren skizziert, deren spezifischer Charakter sie zu gewissen Handlungen motiviert. Das wird dem Leser nachvollziehbar vermittelt, wodurch es ihm leichter fällt, die unterschiedlichen Seiten eines Themas zu beleuchten sowie die Menschen in seinem Umfeld zu verstehen und sich auf sie einzulassen.

Dieses Einfühlungsvermögen lässt sich zudem hervorragend beim Smalltalk nutzen, der im Berufsleben immer wieder gefragt ist. Sind es neue Kollegen, die man kennenlernt, das Geschäftstreffen mit Kunden oder Partnern oder eine Veranstaltung, auf der das ein oder andere private Wort mit dem Chef gewechselt werden will – die Suche nach einem geeigneten Thema ist manchmal gar nicht so einfach. Kann man aber die Signale des Gegenübers richtig deuten, ist schnell klar, ob der eigene Monolog über das gestrige Fußballspiel begeistert angenommen wird oder zu Tode langweilt. In letzterem Fall könnten Sie es ja mal mit Ihrem aktuellen Lesestoff als Gesprächsaufhänger probieren.

Mal woanders hindenken

Wenn sich im Buch Dr. Jekyll in Mr. Hyde verwandelt, Marie als Wanderhure gelbe Bänder an ihren Rock nähen muss oder Harry Potter den goldenen Schnatz fängt, entstehen im Geist des Lesers Bilder. Die Fantasie wird angeregt und arbeitet auch noch, nachdem der Buchdeckel geschlossen worden ist. Das mag banal und nach einfachem Zeitvertreib klingen, aber durch das Wirken unserer Vorstellungskraft bildet das Gehirn neue Verbindungen. Eingefahrene Denkmuster verändern sich und es fällt leichter, über andere Bahnen in unterschiedliche Richtungen zu überlegen.
Vereinfacht bedeutet das, dass eine Lektüre die Kreativität steigert und den Weg zu neuen Lösungsansätzen für Probleme ebnet. In der Schule, im Büro oder daheim erscheinen Aufgaben leichter, weil Sie um die Ecke denken können. Und das auch noch besonders schnell. Denn zusätzlich fördert das Lesen die Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe und erhöht somit die Leistungsgeschwindigkeit. Der Chef, die Lehrer und die Familie werden begeistert sein.

Aufschlagen und abschalten

Dies sind alles gute Argumente dafür, dem Lesen eine Chance zu geben. Dabei darf es aber nicht als Pflicht oder Arbeit angesehen werden. Die Beschäftigung mit einem Buch schafft in erster Linie eine Ruhezone im hektischen Alltag. Von der Couch, dem Sessel oder dem Bett treten Sie in die Fantasiewelt ein und lassen Sorgen, Termine und Aufgaben zurück. Dabei ist es egal, ob Sie sich einer Liebesgeschichte hingeben, im Weltall neue Sterne erobern oder in den Schuhen eines Killers durch die Wälder streifen. Genießen Sie das Prickeln, das Ihnen die Lektüre bereitet und schalten Sie Ihre Gedanken ab. Es kann ein herrlicher Ausgleich sein, der auf unterhaltsame Weise Stress nimmt.

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Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.