Menstruationsurlaub: notwendig oder unsinnig?

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Viele Frauen leiden jeden Monat unter starken Menstruationsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen oder Schwindel. An solchen Tagen kann man natürlich nicht effektiv arbeiten. Einige fordern deshalb einen Menstruationsurlaub: zusätzliche Urlaubstage für Menstruierende. Aber ist das wirklich die Lösung?

Unsere Redakteurinnen kennen die Probleme, wenn Tante Rosa zu Besuch kommt. Über die Idee eines Menstruationsurlaubs sind sie sich trotzdem uneins. Anna Rüppel wünscht sich eine flexible Regelung, um das Arbeitsleben dem natürlichen Zyklus anzupassen. Nadine Elbert sieht aber die Gefahr, dass Frauen damit bei der Jobsuche und Einstellung einen (weiteren) Nachteil haben. Und was meinen Sie?

Anna Rüppel wünscht sich flexible Regelungen während der Regel – und eine Enttabuisierung des weiblichen Zyklus.

Wundern Sie sich nicht, wenn dieser Text einige Flüchtigkeitsfehler enthält. Ich schreibe ihn nämlich unter Schmerzen. Aber keine Sorge, ich bin das gewohnt – arbeite ich doch jeden Monat mindestens einen Tag in einem Krämpfe-Kopfschmerzen-Schwindel-Schmerzmittel-Delirium. Für die Nicht-Menstruierenden unter uns: Ja, es geht um meine Periode. Wie 80% der Frauen bin ich während dieser Zeit weniger produktiv und kann bei der Arbeit weniger Leistung bringen. 10% der Frauen geben sogar an, durch die starken Schmerzen ihren normalen Alltag nicht mehr bewältigen zu können!  

In der Regel hieve ich mich trotzdem durch den Arbeitstag: Mit Schmerztabletten, Wärmflasche und Schokolade kauere ich auf dem Bürostuhl  und sehne mich nach meinem Bettchen. Aber ich habe ja noch Glück – ich arbeite nicht körperlich, kann jederzeit auf der Toilette Tampon, Binde, etc. wechseln und meine Kolleg*innen lassen mir meine Ruhe, wenn ich sie brauche. Wie soll aber eine Altenpflegerin, die nicht den ganzen Tag mit Wärmflasche rumsitzen kann, mit Unterleibskrämpfen arbeiten? Eine Erzieherin ihren Schützlingen erklären, dass sie heute Ruhe braucht? Eine Chirurgin eine fünfstündige OP durchführen, ohne ihren Tampon zu wechseln? 

In der Regel geht es trotzdem zur Arbeit

„Dann müssen sich die Frauen eben einfach krank melden“, werden viele jetzt sagen. Aber: Meine Periode ist keine Krankheit. „In unserer hektischen Gesellschaft wird total negiert, dass der weibliche Zyklus unterschiedliche Phasen hat“, so die Vorständin des Bundesverbands der Frauengesundheitszentren, Doris Braune, in der ZEIT.  In der zweiten und dritten Zykluswoche sind Frauen dafür umso leistungsfähiger – warum also nicht den Arbeitsalltag dem natürlichen Rhythmus anpassen? Außerdem ist die Hürde, sich regelmäßig arbeitsunfähig zu melden, sehr hoch – Stichwort Präsentismus. Drittes Hindernis ist oft der Gang zur Arztpraxis, denn viele Unternehmen fordern schon am ersten Krankheitstag ein Attest. 

Und hier kommen wir endlich zum Menstruationsurlaub. Der ist nämlich ein einfaches Mittel, um Frauen mit starken Periodenschmerzen zu entlasten. Und nein, es geht hier nicht darum, Menstruierenden zusätzliche Urlaubstage zu schenken und Männer zu benachteiligen. Die Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther fordert zum Beispiel eine „flexible und unbürokratische Freistellung für diejenigen, die betroffen sind”. Flexible Regelungen während der Regel und Arbeitszeiten, die ich meinen Bedürfnissen anpassen kann – genau das ist es doch, was ich mir von meinem Job wünsche. 

Menstrationsurlaub in asiatischen Ländern

In asiatischen Ländern ist der Menstruationsurlaub schon verbreitet. In Japan gibt es seit 1947 einen freien Tag pro Monat, in Südkorea und Indonesien können Menstruierende zwei Tage und in Taiwan sogar drei Tage pro Monat zusätzlich frei nehmen. Klar, sowas kann ausgenutzt werden. Aber wenn man seinen Mitarbeitenden nicht ein bisschen Vertrauen entgegen bringt – sorry, dann ist man wahrscheinlich kein besonders guter Arbeitgeber. Und die Männer, die sich diskriminiert fühlen? Carina Kriebernig, leitende Redakteurin beim Onlinemagazin Stadtkind Stuttgart, sagt dazu in der ZEIT einen ziemlich perfekten Satz: „Ich finde, bei dem Thema kann es gar keine Gleichberechtigung geben, weil Männer einfach keine Menstruation haben.“  

Also: Lasst uns unsere Periode enttabuisieren, freie Tage bei Regelschmerzen einfordern, kostenlose Tampons und Binden für alle verlangen und eine Revolution starten! Aber erst morgen – jetzt lege ich mich lieber mit der Wärmflasche ins Bett.

Nadine Elbert findet, dass der Verzicht auf einen speziellen Menstruationsurlaub nichts mit Scham sondern vielmehr mit Selbstschutz zu tun hat.

Bitte nicht!

Regel(mäßig)-frei für Frauen? „Das wäre doch endlich mal ein Goodie für das genauso schwache wie benachteiligte Geschlecht!“, höre ich die Damen demonstrieren. Aber würde uns Frauen diese Ausnahmeregelung tatsächlich stark machen in einer (Arbeits-)Welt, in der Nicht-Funktionieren immer noch als Schwäche gilt? Und nicht vielleicht die Benachteiligung noch vergrößern? Auch wenn ich eine Frau bin, deren Arbeitsleistung tatsächlich parallel zur Periode schwankt, weil sich mit Unterleibs- und Rückenschmerzen nun einfach nicht klar denken lässt, möchte ich meiner Kollegin ein klares „Nein zum Menstruationsurlaub!“ entgegenschmettern. Was auf den ersten Blick nach Befreiung klingt, könnte für uns zum Gefängnis werden.

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht…

Nach den Menschen mit Migrationshintergrund werden Menschen mit Menstruationshintergrund die nächste diskriminierte Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt sein. Warum sollte ein Arbeitgeber (der die Problematik nie am/im eigenen Leib erlebt hat) eine Frau einstellen, die mehrere – sagen wir mal zwei bis drei – Tage im Monat ausfällt? Also zwischen 24 und 36 Tage im Jahr. Und das mit Ansage! Selbst einige arbeitgebende Frauen werden nicht unbedingt Verständnis und Loyalität aufbringen, wenn es um deren wirtschaftliche Interessen geht. Seien wir doch mal ehrlich: Egal, wie gut man sich mit dem*der Vorgesetzten versteht, es ist immer noch ein Arbeitsverhältnis und keine enge Freundschaft, bei der man sich je nach Befindlichkeit auch mal hängen lassen kann. Ähnlich wie bei einer „drohenden“ Schwangerschaft der potentiellen Mitarbeiterin (mittleren Alters, in einer festen Beziehung – dennoch sehr qualifiziert) würden ihre Chancen bereits im Bewerbungsprozess zugunsten „unproblematischer“ männlicher Bewerber (selbst wenn unerfahren und unqualifiziert) schrumpfen.

Rückschritt statt Fortschritt

Selbstverständlich können auch Menschen ohne Periode (nennen wir sie der Einfachheit halber: Männer) ausfallen: Männerschnupfen, Kater vom letzten EM-Abend, beim Heimwerken mit dem Hammer auf den Daumen getroffen… Soweit das Schubladendenken! Wollen wir uns wirklich diesen Kategorisierungen unterwerfen? Jahrzehntelang strebte die Frauenbewegung nach der größtmöglichen Gleichheit der Geschlechter – diese Errungenschaft wollen wir jetzt aufgeben? Es tut mir leid, diese Revolution kann und will ich nicht unterstützen.

Krankenschein ohne Wartezimmer

Aber kampflos aufgeben, obwohl ich nicht immer krampflos bin? Weit gefehlt: Es gibt ja auch andere Möglichkeiten, uns Frauen während der Erdbeerwoche das Leben zu erleichtern. Obwohl der Gesetzgeber gemäß § 5 Abs.1 Satz 2 EFZG Arbeitnehmer*innen drei Tage Zeit lässt, bevor diese eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihres Arztes vorlegen müssen, wurde diese Maßgabe im Jahr 2012 mit dem Urteil des Bundesarbeitsgericht BAG, Urteil vom 14.11.2012, 5 AZR 886/11 obsolet. Einer Redakteurin, die sich erfolglos durch mehrere Instanzen klagte, verdanken wir, dass der*die Arbeitgeber*in nun auch ohne trifftigen Sachgrund ab Tag eins der Krankheit einen offiziellen Nachweis fordern kann. Dafür muss frau sich aber nicht mit Schmerzen ins nächste Wartezimmer schleppen, sondern kann aus dem Bett heraus mit Wärmflasche im Rücken online ihre AU ordern. Bei verschiedenen Anbietern wie beispielsweise au-schein.de bekommt man nach wenigen Klicks, der Beantwortung einer Handvoll Fragen und der Angabe der Kontaktdaten den gelben Schein zugeschickt. Je nach Angaben kann auch ein Arztgespräch nötig sein, aber auch das kann man bequem online absolvieren. Allerdings varieren die Preise für das „Rundum-Sorglos-Paket“ abhängig vom Krankheitstyp.

Flexible Lösungen für alle!

Vielleicht ist es also doch eher ratsam, schon bei Vertragsabschluss auf die Einhaltung der Drei-Tage-Regelung hinzuwirken? Dieses bisschen Vertrauen sollte zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmerin vorhanden sein. Eine weitere elegante Möglichkeit wäre eine flexible Homeoffice-Regelung für alle Geschlechter. Aus welchem Grund man sich an den flexiblen Tagen für das Arbeiten zu Hause entscheidet, sollte dabei allerdings nicht im Mittelpunkt stehen, sondern Privatsache bleiben. Oft hilft es ja schon, während „der“ Tage in der vertrauten Umgebung in Jogginghose, mit Wärmflasche und Menstruationstee rumzulümmeln, während frau ihrem Beruf nachgeht. Corona hat gezeigt, dass das zwar nicht in allen (Beispiele siehe oben) aber doch in vielen Branchen möglich ist. Hoffen wir, dass diese Erkenntnis bestehen bleibt, wenn die weltweite Pandemie Geschichte ist!

Bildquelle Beitragsbild: ©fizenasya/shutterstock.com

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