Mobbing – Wenn der Alltag zur Hölle wird

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Am 22. Februar sah sich eine Mutter in den USA zu drastischen Maßnahmen gezwungen: Da ihr zwölfjähriger Sohn eine Mitschülerin gemobbt hatte, gab es eine Standpauke auf Facebook – vor all seinen Freunden und der ganzen Welt.
Diese „moderne“ Art der Erziehung sorgte für Diskussionsbedarf, auch in Deutschland. Worüber sich allerdings die meisten einig waren, ist die Tatsache, dass der Junge für sein Verhalten gemaßregelt werden muss. Wie schlimm Mobbing oder Bullying sein kann, scheint allen bewusst zu sein.

Ist Mobbing schon Volkssport?

Tatsächlich verfügt fast jeder über eigene Erfahrungen mit dieser Form von Gewalt. Sei es als Opfer, Täter, Beobachter oder als jemand, der sich mitreißen lässt. Und wer denkt, das ist Kinderkram, hat weit gefehlt. Etwa jeder siebte Erwerbstätige gibt an, am Arbeitsplatz schon einmal gemobbt worden zu sein. Die traurige Wahrheit ist, dass diese Schikanen ein gängiges Problem sind.
Die Formen sind überraschend vielfältig – an Kreativität mangelt es den Bullies offensichtlich nicht. In den Schulen dominieren vor allem körperliche Attacken von Jungen und üble Nachreden sowie Ausgrenzung von den Mädchen. Besonders unter den Jugendlichen hat sich als extreme Variante das Cyber-Mobbing etabliert. Für das Opfer ist der Stressfaktor dabei wesentlich höher, da es selbst zu Hause keine Entspannungszonen mehr gibt. Demütigende Situationen, Bilder, Gerüchte und vieles mehr werden digital gespeichert und über das Internet verbreitet. Somit bleiben sie dauerhaft und überall präsent. Betroffen sind davon nicht nur Mitschüler, sondern häufig auch Lehrer und Dozenten.
In der Arbeitswelt sind die Grenzen nicht mehr so klar. Vielmehr gibt es einen fließenden Verlauf zwischen alltäglichen Konfliktsituationen und gezieltem Mobbing. Die Palette reicht hier von Sticheleien, Tratsch und Gerüchten über grundlose Kritik, Demütigungen, Beleidigungen bis hin zu Drohungen oder sexueller Belästigung. Von Mobbing wird gewöhnlich dann gesprochen, wenn die Angriffe regelmäßig stattfinden und auf die immer gleiche Person abzielen.

Die Folgen für das Opfer

Mobbing kann jeder. Die Angriffe gehen von Personen jeder Schicht, Einkommensklasse, Berufsgruppe und Position aus. Ebenso bunt sieht es auf der Seite der Opfer aus. Während der Chef der einen Abteilung seinen Angestellten schikaniert, wird der Leiter des anderen Teams von seinen Mitarbeitern blockiert.
Das Fatale für die Betroffenen ist die Beständigkeit der Vorkommnisse. Schnell wird dadurch die Schule, der Arbeits- oder der Ausbildungsplatz emotional negativ besetzt und es stellt sich eine Erwartungshaltung ein, die vom Schlimmsten ausgeht. Zu Hause verursacht bereits der Gedanke an den kommenden Tag Nervosität oder Kopfschmerzen. Das berüchtigte Gedankenkarussell raubt zusätzlich den Schlaf. Schließlich fällt die Leistung rapide ab, was zu weiteren Problemen führt. Und schon steckt man mitten in einer abwärts führenden Spirale.
Häufig zieht die Verzweiflung einen sozialen Rückzug nach sich. Zu Depressionen, Ängsten und Panikattacken ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Schwere physische wie psychische Erkrankungen können die Folge sein, bis hin zum Suizid.
Selbst nach einer Besserung der Situation hat eine solche Erfahrung dauerhaft geprägt. So fällt es vielen Erwachsenen, die früher in der Schule gemobbt wurden, schwer, ihr Misstrauen gegenüber ihrem sozialen Umfeld abzulegen und eine Beziehung einzugehen.

Worum es eigentlich geht

Ein Bully will Macht. Das Herumtrampeln auf anderen festigt die eigene Position und den Status. Hat er zusätzlich Anhänger, die ihn anstacheln, bewundern oder sich beteiligen, werden die Schikanen noch schlimmer.
Häufig liegt die Ursache von andauerndem feindseligen Verhalten in einer Angst vor der eigenen Schwäche. In der Schule suchen die Mobber in ihrer sozialen Gruppe vor allem nach Bestätigung und wollen ihre Rolle festigen. Genauso wird der Kollege am Arbeitsplatz zum Täter, wenn er seine soziale Position oder Beförderung gefährdet sieht. Auch Neid kann der Grund sein.

Sicherheit in der Schule

Kann man niemandem mehr trauen, zieht man sich in sich selbst zurück. Doch über die Situation zu schweigen und es aussitzen zu wollen, ist die falsche Richtung.
Bei Kindern und Jugendlichen empfiehlt es sich, die Eltern einzuschalten. Über die Vorgehensweise der Mutter aus den USA lässt sich zwar streiten, aber generell hat das Elternhaus großen Einfluss und kann weiteren Schaden vermeiden. Auch Lehrer sollten sofort eingreifen, sobald auffällt, dass selbst kleine Sticheleien immer in die gleiche Richtung zielen.
In der Praxis ist das natürlich schwierig, weshalb mittlerweile zahlreiche Programme zur Unterstützung an den Schulen angeboten werden. Zu den bekanntesten zählt das Präventions- und Interventionsprogramm des Norwegers Dan Olweus. Wie der Name schon sagt, werden dabei nicht nur bestehende Probleme thematisiert, sondern die Entstehung neuer Mobbing-Attacken soll unterbunden werden. Dazu wirkt das Projekt auf Klassenebene, Schulebene und persönlicher Ebene.
Auch andere Programme konnten nachweislich Erfolge verbuchen. Nähere Informationen zu deren Aufbau finden Sie auf der Grünen Liste.

Was tun am Arbeitsplatz?

In der Erwachsenenwelt müssen die Opfer das Problem selbst in die Hand nehmen. Doch auch im Berufsleben gilt: Schweigen ist keine Lösung.
Am besten wird der Mobber ganz direkt und sachlich konfrontiert, und zwar so früh wie möglich. Ein konkretes Beispiel bei dieser Unterhaltung untermauert die Beschwerde. Nützlich ist es außerdem, eine weitere Person als Zeugen des Gesprächs dabei zu haben. Unterstützung können sich die Angestellten außerdem von ihrem Chef, dem Vorstand, Betriebs- oder Personalrat erbitten.
Halten die Schikanen an, können rechtliche Schritte eingeleitet werden. In diesem Fall ist das Führen eines Tagebuchs eine große Hilfe. Darin werden die einzelnen Situationen genau dokumentiert, um hinterher eine detaillierte Aussage treffen zu können. Vor einem Verfahren sollte sich der Betroffene aber unbedingt beraten lassen, denn dieser Weg ist nicht einfach und wird unter Umständen zur zusätzlichen Belastung. Eine Alternative ist der Wechsel des Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes.
Sobald das Mobbing zur seelischen Belastung wird, ist es ratsam, sich eine psychische Betreuung zu suchen. Opfer von sexueller Belästigung können sich von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes helfen und beraten lassen.

Haben Sie selbst bereits Erfahrungen mit Mobbing gemacht? Als Opfer, Beobachter oder vielleicht sogar Täter? Teilen Sie Ihre Erlebnisse gerne in den Kommentaren mit uns.

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.