Wertvoller als gedacht: Fehler für den Erfolg nutzen

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Null Fehler sind das große Ziel. Das lernen wir bereits in der Schule mit Nachdruck und bewahren uns dieses Denken unser ganzes Leben lang. Dabei haben Fehler auch ihr Gutes.

Eine positive Fehlerkultur sucht man in Deutschland vergebens, obwohl immer mal wieder Rufe danach laut werden. Doch bevor der Chef am Arbeitsplatz die angemessene Reaktion auf Ihre Fehler lernt, sollten Sie zuerst selbst den Umgang mit Ihren Makeln üben. Das heißt: Sie müssen Abschied nehmen von dem Gedanken, dass nur das Ergebnis zählt und auch nur dann, wenn es fehlerfrei ist. Ab jetzt ist positives Denken angesagt!

Fehler als Erfolgswegweiser

Beim Aufstieg zum Erfolg stehen Sie sich oft selbst im Weg. Ob im Beruf, in der Ausbildung oder in der Schule – verpatzen Sie eine Aufgabe, gleicht das schnell dem Weltuntergang. Sie fühlen sich als Versager, weil Sie es wieder nicht geschafft haben. Dieses Denken wird uns während der gesamten Bildungszeit hindurch eingebläut. Schuld sind das Bewertungssystem, die Haltung der Lehrer, Druck von den Eltern und natürlich der eigene zu große Ehrgeiz. Die vielen negativen Gefühle belasten und demotivieren. Dadurch wird die Aufgabe beim nächsten Mal sicher nicht leichter.

Anstatt sich zu ärgern, sollten Sie versuchen, objektiv zu bleiben. Schauen Sie sich Ihre Fehler genauer an, denn es sind keine Hürden auf dem Weg nach oben, sondern wertvolle Wegweiser.

Das eigene Können kennenlernen

Klar können Sie sich unendlich schlecht fühlen, weil Sie die Französischprüfung vermasselt haben, weil Ihre Präsentation Tippfehler enthalten hat oder weil Sie in den vorbereiteten Unterlagen eine Anlage vergessen haben. Doch dieses Angst- oder vielleicht sogar Panikgefühl hilft Ihnen kein Stück weiter.

Beruhigen Sie sich zuerst mit dem Gedanken, dass Sie trotz der Mängel viel geleistet haben. Okay, vielleicht waren in der Präsentation Tippfehler, aber dafür haben Sie sich zeitintensiv mit dem Programm auseinandergesetzt und einige neue Funktionen entdeckt. Sie werden vermutlich auch nicht alles im Fremdsprachentest falsch gemacht haben. Ebenso sollten Sie sich vordergründig auf den Stolz konzentrieren, dass Sie die Mappen mit den Dokumenten selbstständig zusammengestellt und das Meeting gründlich vorbereitet haben. Eine Anlage ist schnell nachgereicht.

Aus Fehlern lernen

Danach begutachten Sie in aller Ruhe Ihre Fehler aus einer objektiveren Sicht. Was genau ist schiefgelaufen? Wo müssen Sie sich noch mehr Wissen oder Können aneignen? Ihre Patzer sind wie kleine Hinweisschilder, die Ihnen sagen, woran Sie noch arbeiten können. Fallen Ihnen in Französisch nicht genügend Wörter ein, um Ihre Sätze zu einem flüssigen Gesamttext zu verbinden? Dann wäre das ein Ansatzpunkt, um daran zu arbeiten, wenn Sie besser werden möchten. Wenn Ihnen bei der Vorbereitung der Präsentation oder der Konferenz die Konzentration gefehlt hat, ändern Sie gewisse Abläufe. Arbeiten Sie zum Beispiel zu einer anderen Tageszeit, schließen Sie die Tür, stellen Sie Störgeräusche ab oder achten Sie auf genügend Schlaf.

Eine neue Richtung einschlagen

Dieses Vorgehen funktioniert auch auf das gesamte Leben angewandt. Vielleicht hagelt es bei Ihnen im Unterricht nur Fünfer und Sechser oder Ihr Chef entlässt Sie. Auch dann bringt es Ihnen nichts, wenn Sie deprimiert zuhause sitzen und den Kopf in den Sand stecken. Sie haben es bis hierhin geschafft und das war eine große Leistung. Dabei haben Sie wichtige Erfahrungen gewonnen, die Ihnen im weiteren Leben sicher hilfreich sein werden. Außerdem haben Sie Ihre Persönlichkeit weiterentwickelt und das kann Ihnen niemand mehr nehmen.

Nun haben Sie die einzigartige Chance, sich völlig neu zu orientieren. Wenn Sie die Schule wechseln müssen, dann tun Sie es und wählen Sie eine Richtung, die Ihnen und Ihren Fähigkeiten entspricht. Das gleiche gilt für den Berufsweg. Vielleicht würden Sie sich in einer Stelle mit einem anderen Arbeitsschwerpunkt sogar wohler fühlen.

Unbegründete Angst vor Fehlern

Zahlreiche Entdeckungen wurden nur deshalb gemacht, weil jemand eben nicht perfekt war. Der Wissenschaftler Alexander Fleming vergaß eine Nährbodenplatte im Labor. Ein Anfängerfehler. Doch nur dadurch konnte er bei seiner Rückkehr das Penicillin entdecken.

Durch Fehler entdecken Sie also nicht nur eigene Schwächen, sondern kommen in manchen Fällen auch zu völlig neuen Ergebnissen. Das spielt besonders in künstlerischen Bereichen eine große Rolle und inspiriert Menschen sogar dazu, ihren Perfektionismus absichtlich über Bord zu werfen. Dort will man schließlich aus der Masse herausstechen und Neues schaffen. Wer Fehler zulässt, lernt daraus und provoziert womöglich ungeahnte Folgen.

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Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.