Zu Nikolaus eine Freude für die Senioren – oder eine Beleidigung

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Um den Alltag im Altenheim etwas aufzupeppen, dürfen die Bewohner am Nikolausabend teilweise ihre Schuhe vor die Zimmertür stellen. Doch dieser Brauch erfreut nicht unbedingt jeden.

Es ist der 5. Dezember und heute Abend ist es wieder so weit: Zahlreiche Kinder stellen einen Stiefel vor die Tür, um ihn vom Nikolaus befüllen zu lassen. Es ist ein netter Brauch, der Klein und Groß ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Gerade in der Adventszeit, wenn das Wetter mieser, die Tage kürzer und der Wunsch nach Gesellschaft größer wird, ist die Freude über solche Kleinigkeiten besonders groß. Was liegt da näher, als auch im Seniorenheim die Bewohner mit einer Aufmerksamkeit zu Nikolaus zu beglücken. In einigen Einrichtungen dürfen sie einen Schuh vor ihre Zimmertür stellen, den der Nachtdienst anschließend bestückt. Sicherlich werden alle Beteiligten entzückt sein. Oder?

Versteckte Falle trotz guter Absicht

Diese Aktion kann schnell nach hinten losgehen, sodass eine lieb gemeinte Geste zum Affront wird. Nicht jeder Senior lebt in tiefem Einklang mit seinem inneren Kind und nicht alle denken gerne zurück an die Zeit, als sie noch klein waren. In einer Wohnsituation, in der man auf Pflegepersonal angewiesen und lange nicht mehr so selbstständig ist wie einst, kann man außerdem leicht das Gefühl bekommen, nicht ernst genommen zu werden.

Unter anderem gibt es Senioren, die auf ein Leben zurückblicken, in dem sie ständig für den ihnen gebührenden Respekt kämpfen mussten. Andere legten viel Wert darauf, ihre Autorität zur Schau zu tragen. Zahlreiche Berufe erfordern es, Stärke und Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen. Dieses lang ausgeübte Verhalten prägt natürlich nachhaltig. Da ist es nicht verwunderlich, wenn es den ein oder anderen gibt, der schnell beleidigt ist bei der Vorstellung, sich wie ein Kind auf den Nikolaus freuen zu sollen.

Kompromiss beim Nikolaus

Trotzdem müssen Sie als Altenpfleger nicht ganz darauf verzichten, den Zauber des Nikolaus in Ihre Wirkungsstätte zu bringen. Die Idee ist viel Wert und sicherlich werden viele Bewohner tatsächlich begeistert sein.

Sie sollten aber darauf achten, die Aktion auf völlig freiwilliger Basis durchzuführen und das ausdrücklich zu kommunizieren. Nur wer Freude daran hat, stellt einen Schuh nach draußen. Wenn ein Bewohner den Nikolaus für Kinderkram hält, sollte seine Meinung respektiert werden. So wird es für alle ein angenehmer Tag.

Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.