(de)mentia+art: Museumsführungen für Menschen mit Demenz

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„Ich finde, die Zweige des alten Baumes, das ist für mich wie ein Wunder.“ Sr. Quirina Hoffmann betrachtet das Gemälde. „Ich muss wirklich sagen, dass der Baum noch steht, der hat ja gar nichts an Blättern mehr und so. […] Ja, das ist wie ein Wunder für mich.“ Gemeinsam mit der Gruppe tauscht sich Frau Hoffmann über die Gedanken und Gefühle aus, die sie beim Betrachten des Bildes empfindet. Dann schauen Sie zusammen das nächste Ausstellungsstück an. Was klingt, wie ein ganz normaler Museumsbesuch, ist Teil eines besonderen Projekts. Denn Schwester Hoffmann befindet sich in einem Seniorenheim, die Kunstwerke werden über einen Bildschirm gezeigt und die Senior*innen über Mikrophon und Lautsprecher durch den virtuellen Museumsraum begleitet – eine digitale Museumsführung für Menschen mit Demenz, die von (de)mentia+art veranstaltet wird. 

Video-Quelle: (de)mentia+art

Kulturelle Teilhabe für alle 

(de)mentia+art bietet analoge und digitale Museumsführungen für Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen. Schüler*innen mit psychischen Beeinträchtigungen, Senior*innen in Pflegeinrichtungen oder Einzelpersonen, die an Demenz erkrankt sind – durch das interaktive Format kann jede*r teilnehmen und Kultur erfahren. Kunsthistorisches Wissen ist keine Voraussetzung. Stattdessen geht es darum, die Bilder auf Basis dessen, was für alle zu sehen ist, gemeinsam zu entdecken und Empfindungen und Wahrnehmungen zu teilen. 

Die analogen Führungen finden in verschiedenen Kölner Museen statt, die mit (de)mentia+art kooperieren. So können die Besucher*innen zum Beispiel im Museum Ludwig die Werke des japanisch-amerikanischen Bildhauers Isa­mu Noguchi erleben oder im Kolumba-Museum einen Einblick in das jüdische Leben in Deutschland erhalten. Sogar Konzerte stehen auf dem Programm: Im Mai spielt zum Beispiel das WDR Symphonieorchester Tschaikowskys 4. Sinfonie in der Kölner Philharmonie – auch für Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen. Anmelden können Sie sich über die Website von (de)mentia+art. Dort finden Sie außerdem Kulturtermine aus vielen weiteren Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

(dementia)+art: Museumsführung für menschen mit Demenz
Eindruck einer Museumsführung. Max Liebermann: Die Rasenbleiche / Wallraf-Richartz-Museum

(de)mentia+art – Eine schöne Zeit. Glücksgefühle. Orientierung. Ein Stück mehr an Lebensqualität 

Gründer und Geschäftsführer von (de)mentia+art ist der Autor und Kulturgeragoge Jochen Schmauck-Langer. Für ihn steht die kulturelle Teilhabe für alle Menschen im Vordergrund: „Teilhabe und der Wunsch danach erweisen sich als prägendes Phänomen unserer Zeit. (de)mentia+art hat in den letzten Jahren gemeinsam mit den Kulturpartnern Angebote für unterschiedliche Besuchergruppen gestaltet. Daraus entwickelte sich letztlich ein Modell, das wir teilhabe-orientierte Vermittlung‘ nennen. Es ermöglicht Kultureinrichtungen, Menschen mit wenig Erfahrung in ‚Hochkultur‘ ebenso anzusprechen wie Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen, Schüler ebenso wie Menschen mit demenziellen Veränderungen. Analog oder auch digital.“ 

Digitale Museumsführungen 

In Reaktion auf die Corona-Pandemie hat Jochen Schmauck-Langer ein digitales Format entwickelt, das Menschen mit Demenz oder mit psychischen Erkrankungen die kulturelle Teilhabe ortsunabhängig ermöglicht. Diese digitalen Museumsführungen sind interaktiv, teilhabe-orientiert und wertschätzend und aktivieren so die Ressourcen der Betroffenen. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 

Die Führungen können direkt im Pflegeheim, in der Schule oder in der Betreuungsgruppe stattfinden. Voraussetzungen sind lediglich ein geeigneter Veranstaltungsraum mit gutem Internetempfang, ein großer Bildschirm oder eine Leinwand, ein Notebook mit Mikrophon und eine Webcam.  

Mindestens zwei Betreuer*innen, die vorher in die Abläufe eingewiesen wurden, begleiten die Führung vor Ort und achten darauf, dass alle Teilnehmenden gut sehen und hören können. Der*die Museumsführer*in zeigt dann ein Ausstellungsstück auf der Projektionsfläche und kann über Mikrophon und Webcam mit den Teilnehmenden über ihre Wahrnehmungen sprechen. So entsteht ein interaktives Format, an dem jede*r teilnehmen kann. 

(de)mentia+art: Digitale Fürhung
Bei den digitalen Führungen ist der Guide über eine Webcam zugeschaltet.
Huybrecht Beuckeleer: Madonna und Kind (Detail) / Wallraf-Richartz-Museum / Senioreneinrichtung St. Bruno, Caritas, Köln

Möchten Sie in Ihrer Einrichtung eine digitale Museumsführung veranstalten? Hier finden Sie alle Infos zur Vorbereitung und den Anforderungen.  (de)mentia+art bietet außerdem eine Fortbildung zur Kulturbegleitung von Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen an. Hier können Mitarbeitende aus Pflege und Betreuung lernen, wie man Menschen mit Demenz oder mit psychischen Beeinträchtigungen Zugang zu kulturellen Angeboten ermöglicht. Denn kulturelle Teilhabe ist nicht bloß ein netter Zeitvertreib – sie ist ein Menschenrecht. 

Autor

Anna Rüppel

Anna Rüppel ist mit 1,78 m die Größte, wenn es um Ausbildung und Beruf geht. Als Kind war sie kleiner. Von April 2019 bis November 2022 schrieb sie kleinere und größere Artikel für das Euro Akademie Magazin.