Ernte Dankbarkeit!

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Einige von Ihnen ärgern sich sicherlich über den kommenden Sonntag, dem ersten im Oktober. In diesem Jahr fällt der 3. Oktober auf diesen Tag, der Tag der Deutschen Einheit. Schöner wäre es ja, wenn dieser Feiertag ein Montag, Mittwoch oder irgendein anderer arbeitsfreier Werktag wäre. Nun vergessen wir aber kurz das Ärgernis über diese ungünstige Feiertagskonstellation im Jahr 2021. Seien wir nicht so undankbar! Es werden sicher wieder andere Zeiten kommen! Und es gibt noch mehr zu feiern als die Einheit unseres Landes…

Denn was viele von Ihnen vielleicht nicht wissen: Dieser erste Oktobersonntag ist wie jedes Jahr auch dem Erntedank gewidmet. Ich erinnere mich an viele Spätsommersonntage in meiner Kindheit, an dem ich in der barocken Kirche meines unterfränkischen Heimatortes den üppig geschmückten Altar bestaunte: Früchte, Getreide, Obst, Gemüse und auch ein großer Laib Brot waren dort als Symbol der reichen Ernte drapiert. Bauern und Bäuerinnen feierten, dass Gott ihre Felder mit Sonne verwöhnt und von Unwetter verschont hatte. Die Dorfbewohner*innen waren dankbar, dass ihre Speisekammern und Kühlschränke immer gefüllt waren und sie nicht Hunger leiden mussten. Oft war die kirchliche Feier mit Spenden an Menschen verbunden, die weniger bis nichts zu essen hatten.

Nun sind mir über die Jahre (und vielleicht auch verursacht durch den gut überlegten Austritt aus der katholischen Kirche) diese Demut und die Dankbarkeit gegenüber Gott oder letztendlich der Natur ein wenig abhandengekommen. Dabei gibt es doch so viel, dass ich nicht einfach als gegeben und selbstverständlich hinnehmen sollte. Wie kann ich es nun schaffen, mir diese edle Tugend der Dankbarkeit wieder anzueignen? Mit ein paar Tipps ist es eigentlich ganz einfach, dieses Dankbarkeitsgefühl wieder öfters aufleben zu lassen.

Beten 

Das Gebet stellt einen ritualisierten Rahmen dar, um Gedanken zu ordnen. Bereits in dem Wort GeDANKen ist der Dank ja enthalten. Wenn wir uns jeden Abend im Bett vor dem Einschlafen ein Zeitfenster reservieren, um den Tag Revue passieren zu lassen, fallen uns im Rückblick viele Momente und Dinge ein, die gut gelaufen sind: Die Prüfungsfragen waren leichter als erwartet, Sie haben sich seit langem mal wieder mit einer guten Freundin getroffen, die Beschwerden der Corona-Erkrankung meines Opas klingen langsam ab – sowohl vermeintliche Kleinigkeiten als auch große Sachen haben es verdient, gewürdigt zu werden. Gläubige Menschen schreiben diese Dinge einer höheren Macht namens Gott oder Allah zu und wenden sich mit ihrem Dank direkt an ihn. Auch das kurze Tischgebet erfüllt den Zweck, der jeweiligen Gottheit Dankbarkeit dafür zu zeigen, dass unser Tisch reich gedeckt ist und wir nicht Hunger leiden müssen.

Dankbarkeitstagebuch

Wer mit dem Konzept Gott nicht so viel anfangen kann, der hat dennoch die Möglichkeit, ein Dankesritual in seinen Tag zu integrieren. Sogenannte „Dankbarkeitstagebücher“ sind seit einigen Jahren der Renner auf dem Markt. Die Funktionsweise ist einfach: Sie reservieren sich ein paar Minuten bis zu einer halben Stunde täglich, um in diese oftmals hübsch gestalteten Bücher zu notieren, was für Sie den heutigen Tag zu einem besonderen gemacht hat. Um Black-outs zu vermeiden, gibt es darin Fragen, die Sie beim Journaling anleiten, etwa: Hat mir heute jemand ein Lächeln geschenkt, welche Eigenschaft mag ich an mir, was schätze ich an meinen Eltern? Gerade für Anfänger*innen sind diese Leitfäden hilfreich. Im Gegensatz zu einem traditionellen Tagebuch schließen Dankbarkeitstagebücher Sorgen und andere negative Einträge bewusst aus. Und übrigens: Sie dürfen auch kreativ sein! Malen Sie, skizzieren Sie, erstellen Sie eine Collage aus Zeitungsartikeln oder kleben Sie die Eintrittskarte aus dem Naturkundemuseum ein – wenn Sie nach Jahren Ihr Dankbarkeitstagebuch durchblättern, werden Sie umgehend in diese schönen vergangenen Momente zurückversetzt.


Bildquelle: © Rawpixel.com / shutterstock.com

Dankesbriefe 

Wieso sollten wir unsere Anerkennung gegenüber unseren Lieben für uns behalten? Würde es Ihre Eltern nicht freuen, wenn sie wüssten, wie sehr Sie ihre Kindheit genossen haben und wir gerne Sie sich auch heute noch bei ihnen Rat holen? Suchen Sie sich in einer Papeterie einen schönen Briefbogen aus, der Ihrer Mutter gefallen könnte, setzen Sie sich mit einer heißen Schokolade an den Schreibtisch und bringen Sie Ihre Gedanken zu Papier. Ihre Mutter wird gerührt sein, wenn sie Ihren Brief liest. Bestimmt war sie sich schon vorher Ihrer Liebe bewusst, aber so etwas schriftlich zu bekommen ist ein besonderes Lob, das man sich in traurigen Momenten immer mal wieder durchlesen kann. So heben Sie auch bei Ihren Mitmenschen die Stimmung. Getreu dem Motto: Geteilte Freude ist doppelte Freude! Übrigens freuen sich auch Ihre Lehrer*innen oder andere wichtige Wegbereiter*innen über Ihre Dankesbekundungen. 

Danken für das, was nicht ist 

All diese Tipps zielten bisher darauf ab, uns bewusst zu machen, was wir in unserem Leben haben, aber nicht genug wertschätzen. Nun lassen Sie uns die Sichtweise ändern: Worüber sind wir froh, dass wir aktuell davon verschont sind? Krankheit, Krieg, Hungersnöte, Arbeitslosigkeit, Armut – die Liste ist lang. Im vergangenen Juni wurde vielen Menschen in Deutschland von einem Tag auf den anderen klar, wie gut es ihnen geht. Die Starkregenkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat über 100 Menschenleben gefordert und vielen Überlenden die Existenz gekostet. Wenn Sie heute also einen schlechten Tag haben, der Chef meckert, dem Kind das Essen nicht schmeckt oder die Lieblingstasse in Scherben vor Ihnen liegt: So what? Glück ist relativ!  

Geben 

Das Prinzip „Karma“ sollte hinlänglich bekannt sein: Sie nehmen dem älteren Mann im Bus den letzten Platz weg und – schwupps – lassen Sie Ihren Schirm im Bus liegen, der gerade wieder anfährt, und so müssen Sie im Dauerregen zu Ihrem Arbeitsplatz joggen und den Rest des Tages in nasskalten Klamotten durchstehen. Aber umgekehrt geht es doch auch: Sie zeigen sich grundlos großzügig gegenüber Ihren Mitmenschen und Gutes kommt zurück. Das meinte der findige Paulus sicher auch, als er vor der Gemeinde in Ephesus sprach: „Geben ist seliger denn Nehmen!“ Bestimmt hatte auch er im Hinterkopf, dass das Gegebene auf anderem Wege wieder zu ihm zurückkommt. Auch dieses Geben – ob nun mit Kalkül oder ohne – ist eine Form von Dankbarkeit. Denn wer reich beschenkt wurde, sollte nicht mit Gierigkeit oder Geiz antworten.

Das Kastanienspiel 


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Sie haben das mit dem Dankbarkeitstagebuch schon probiert, aber es fällt Ihnen schwer, sich abends an die einzelnen Momente des Tages zu erinnern? Das müssen Sie auch nicht unbedingt im Klein-Klein. Um ein ungefähres Gefühl für die Menge der Glücks- und Dankbarkeitsmomente zu bekommen, bietet sich (gerade jetzt im Herbst) das „Kastanienspiel“ an. Sammeln Sie ein paar dieser Nussfrüchte, polieren Sie sie, bis sie glänzen, und stecken Sie sie sich morgens in die eine Hosentasche.  Immer, wenn Sie einen Moment der Dankbarkeit erleben, nehmen Sie die Kastanie aus der einen Hosentasche und stecken Sie sie in die andere, leere Hosentasche. Die Höhe der Dankbarkeit können Sie am Abend daran ablesen, wie viele Kastanien die Hosentasche gewechselt haben. So lässt sich Glück greifen. 

Das sind nur sechs Möglichkeiten, wie wir es schaffen können, vermeintlich Selbstverständliches (wieder) wertzuschätzen und Dankbarkeit in unseren Alltag zu integrieren. Wie Sportübungen müssen Sie auch hier am Ball bleiben, um eine gewisse Routine zu entwickeln. Doch es lohnt sich: Eine Studie mit Krankenhausmitarbeiter*innen am Hong Kong Institute of Education konnte 2015 nachweisen, dass regelmäßige Dankbarkeitsübungen Stress und depressive Symptome reduzieren können. Also: Haben Sie am Sonntag schon etwas vor? Ein Besuch des örtlichen Erntedankgottesdienstes wäre ja schon einmal ein Anfang!

Sie suchen Lehrer*innen, für deren Unterricht Sie so dankbar sein können wie unsere Auszubildenden? Hier finden Sie einen spannenden Ausbildungsberuf!

Bildquelle Beitragsbild: © WAYHOME studio / shutterstock.com

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.