Interview mit Quereinsteiger: Sprachen sprechen statt studieren

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Das Ziel im Auge: Gymnasium, Abitur, Studium, sicherer Beruf mit gutem Gehalt. So sieht für viele junge Menschen die ideale Zukunft durch die rosarote Brille aus. Doch das Leben verläuft häufig nicht geradlinig und man muss sich anpassen.

Das spürte auch Florian Thiel. Der heute 25-Jährige bemerkte im Lehramtsstudium, dass dieser Weg nicht zu ihm passte. 2015 wechselte er deshalb als Quereinsteiger an die Euro Akademie Hamburg, um eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten zu absolvieren. Im Gespräch mit dem Euro Akademie Magazin erklärt er, was ihn angetrieben hat, welche Hindernisse er bewältigen musste und wie er sich in seiner jetzigen Situation fühlt.

Florian Thiel, Euro Akademie HamburgHerr Thiel, Sie haben die Schule mit dem Abitur abgeschlossen. Wie ging es direkt danach für Sie weiter?

Also ich habe dann erstmal ein Studium angestrebt […] und habe mich für Lehramt eingeschrieben, für Englisch und Philosophie […]. Ich hatte schon lange Lust gehabt, ins Lehramt zu gehen, zu lehren. Es macht mir Spaß, Leuten etwas beizubringen. […]

Dass Sie studieren wollen, stand dann relativ früh für Sie fest?

Ja, ja, ja, schon lange. Ich habe eine relativ große Familie und im Prinzip haben alle studiert. Und da hat man als Jüngster schon mal den Ansporn dann auch mitstudieren zu gehen. […] Ich habe vier Geschwister.

Weshalb genau die Fächer Englisch und Philosophie?

Also Englisch habe ich schon immer gern gemacht. Ich war auch im Ausland gewesen, in Amerika, und habe am Austauschprogramm teilgenommen, Young Ambassadors hieß das, und bin dort auf einer bilingualen Schule gewesen […]. Es hat mir schon früh sehr viel Spaß gemacht, mich mit Englisch zu befassen. Das stand außer Frage.

Das zweite Fach war dann eher schwieriger zu wählen und ich habe mich dann für Philosophie entschieden, weil ich das grundsätzlich erstmal interessant fand. […]

Was hat dazu geführt, dass Sie Ihr Studium schließlich abgebrochen haben?

Vorwiegend die Tatsache, dass ich mit Philosophie dann gar nicht mehr klarkam. Da kamen ein paar Unterfächer, die ich entweder uninteressant fand oder so völlig abseits von dem, womit ich mich identifizieren könnte. […] Ich hatte dann die Wahl gehabt, ein anderes Fach zu wählen oder eine neue Fachkombination, was dann dazu geführt hätte, dass ich nochmal quasi neu studieren müsste, also nochmal bei null anfangen. Ich war im vierten Semester […] und da habe ich das dann ausgeschlossen. Ich hatte auch eher nach einem praktischeren Ansatz gesucht.

Ich wollte dann etwas machen, wo ich wirklich arbeiten konnte. Lehren macht mir zwar immer noch Spaß. Ich habe teilweise auch als Nachhilfelehrer gearbeitet. Aber ich habe dann irgendwann gemerkt, dass meine Leidenschaft vorwiegend in der Anwendung von Englisch liegt, nicht im Lehren. […] Und eine der Bekannten meiner Schwester […] hat im Netz gefunden gehabt, dass es einen Fremdsprachenkorrespondenten gibt, der kaufmännisch als auch eben sprachlich ausgebildet wird. Das fand ich dann sofort echt interessant und habe mich dann dafür beworben. […]

Vom Student zum Quereinsteiger – ein schwerer Schritt

Als Sie sich über Ihre Möglichkeiten informiert haben, was war Ihnen dabei wichtig beziehungsweise worauf haben Sie geachtet?

Also ich habe grundsätzlich aus den Fehlern gelernt im Studium, dass ich natürlich etwas suche, wo ich wirklich von vornherein weiß: „Worauf lasse ich mich da ein. Ist das etwas, womit ich mich dauerhaft identifizieren kann? Und etwas, wo ich merken kann, daran habe ich auch in zehn bis 20, 30 Jahren immer noch Spaß?“ […] Und dann habe ich das mit dem Fremdsprachenkorrespondenten gesehen und mich eingelesen, was da alles gefragt wird, was der später alles macht beziehungsweise machen kann. Ein Fremdsprachenkorrespondent kann ja verschieden eingesetzt werden. Der kann sich ja auch relativ breit bewerben. […]

Kam dabei nur eine Ausbildung für Sie in Frage oder haben Sie noch mit weiteren Optionen geliebäugelt?
Tatsächlich kam in dem Augenblick für mich dann nur noch die Ausbildung in Frage. Also ich habe überlegt gehabt im Studium, allerdings bin ich jetzt 25 und ich wollte auch nicht der klischeehafte Dauerstudent werden. […] Das hat mich dann eher abgeschreckt.

[…] Ich behalte es mir vor, irgendwann zu sagen: „Okay, ich habe ja Abitur, ich kann ja immer noch studieren gehen.“ Ich kann mich immer noch weiterbilden, aber jetzt will ich erstmal etwas machen, womit ich einsteigen kann, wo ich für mich eine Existenz gründen kann, wenn ich fertig bin. Und da stand für mich dann die Ausbildung eigentlich außer Frage.

Bei Ihren Recherchen haben Sie auch die Euro Akademie Hamburg entdeckt. Wieso haben Sie sich für diese Einrichtung entschieden?

[…] Das ist familiär bedingt. Mein Bruder wohnt in Hamburg. Hamburg ist ja eigentlich eine ziemlich teure Stadt und wenn ich jetzt hätte umziehen müssen – so ganz für mich allein – hätte ich die Miete im Leben nicht bezahlen können. Und mein Bruder hat mir gesagt: „Pass auf, die Ausbildung geht zwei Jahr, kannst bei mir wohnen.“ […] Und das kam mir sehr gelegen. […] Damals als ich studiert habe, war ich halt noch sehr nah an Hotel Mama dran […] und man wird so halt unabhängiger.

Ich bin in gewisser Weise von meinem Bruder abhängig, das ist schon der Fall, aber man lebt ganz anders, man achtet ganz anders auf das Geld. Es ist ein gewisser Reifeprozess. Und dann bin ich halt nach Hamburg gezogen dafür und deswegen stand Hamburg für mich fest.

Aber auch in Hamburg gibt es ja mehrere Möglichkeiten, eine Ausbildung zu absolvieren. Wieso dann genau die Euro Akademie?

Das stimmt. […] Der Tipp, der von meiner Schwester kam, betraf halt die Euro Akademie und sie schickte mir den Link, ich habe das angesehen und das sah alles sehr gut aus. Das sah für mich seriös aus. Mich hat überzeugt, dass da gerade im sprachlichen Bereich […] sehr viele Muttersprachler waren und das hat mich dann relativ früh überzeugt. […] Ich habe damals auch dort angerufen gehabt und habe ein kurzes Gespräch geführt mit der Sekretärin am Telefon und das schien mir alles sehr gut zu sein. Dann habe ich mich darauf sehr früh eingelassen.

Sie fangen aber mit einer Ausbildung quasi auch noch einmal von vorn an. War das dann schwer für Sie?

Ja, also noch einmal von vorn anzufangen, bei null anzufangen ist für jeden, denke ich mal, schwer. Es ist immer eine Überwindung […] aber ich hatte nur noch die Wahl gehabt, während dem Studium zu sagen, ich mach jetzt noch irgendwie weiter. Aber wenn man weiß, man steht da nicht mehr hinter, […] muss man einfach irgendwann sagen: „Ich wage das, ich mache einen Cut. Ich wage diesen Schritt.“ Und dann gibt man ein Stück weit Sicherheit auf und ich muss auch gestehen, man fühlt sich nicht unbedingt perfekt, wenn man etwas abbricht. Man fühlt sich schon […] irgendwie als Versager […].

Aber da muss man dann eben drüberstehen […]. Die Ausbildung geht ja auch nur zwei Jahre und wenn man sich da wirklich reinhängt und sagt, ich stelle mich dahinter und ich ziehe das eben erwachsen und reif durch, dann gehen diese paar Jahre auch vorbei. Und dann steht man ganz anders im Leben.

Was hat Ihnen die Kraft gegeben, es durchzuziehen?

Also meine Familie vor allen Dingen war da wirklich eine sehr große Unterstützung – vor allen Dingen natürlich mein Bruder. […] Eine meiner Schwestern ebenfalls. Sie hat mich damals auch unterstützt, teilweise auch finanziell, und auch der emotionale Rückhalt. […] Das hat extrem geholfen.

Meine Freundin natürlich auch. Sie wohnt jetzt 10 Minuten Fußweg von mir entfernt. Das gibt natürlich auch Kraft und Halt. Das ermutigt einen dann schon und dann steht man da auch ganz anders dahinter, als wenn man allein auf weiter Flur steht.

Aufatmen in der Ausbildung

Der Wechsel vom Studium in die Ausbildung ist auch ein Wechsel vom individuellen Lernen in ein eher schulisches Lernklima. War das schwierig für Sie?

Jain. Auf der einen Seite muss man sagen, dass Studieren inzwischen ja extrem verschult ist: Verschiedene Fächer werden ja fast wie Schulfächer unterrichtet. Diese typischen Vorlesungen, die es damals vor dem Bologna-Express gab, sind ja am Aussterben. Aber klar, man hat ganz andere Freiheiten. Man geht dann nach Hause und geht mal nicht zur Vorlesung hin und lernt das dann autodidaktisch.

Ich muss sagen, mir gefällt das sogar besser auf die Weise, weil ich bin jetzt nicht so der ganz typische Autodidakt. Ich finde es dann schon gut, wenn Leute […] vor mir stehen und mir dann auch individuell in kleineren Klassen […] Anweisungen geben können, mir Feedback geben können. […] Und man geht ganz anders miteinander um: Man spricht miteinander, man kennt die verschiedenen Dozenten und die kennen einen auch und das ist in einer Klasse von 25 Schülern ganz anders möglich als mit 200 Studenten. […] In der Hinsicht fällt zumindest mir das Lernen auf die Weise leichter als damals an der Uni. […]

Die Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten beinhaltet auch einen wirtschaftlichen Aspekt, den Sie im Studium nicht hatten. Ist das eine große Herausforderung für Sie?

Am Anfang hat mir das so ein bisschen Respekt eingeflößt, muss ich schon sagen. […] Da hatte ich mich vorher noch gar nicht so mit befasst gehabt […], aber ich muss gestehen, dass es mir doch meistens leichter fiel als gedacht. Gerade so Sachen wie BWL und Rechnungswesen – wenn man sich da ein bisschen reinfuchst ist das alles doch schon sehr logisch. […]

Wenn man dann sowas hat, was logisch ist, was nachvollziehbar ist und dann absolut verständlich ist, dann macht mir das auch Spaß und dann konnte ich mich doch recht früh überraschenderweise mit diesen Sachen mit Spaß befassen.

Trauern Sie Ihrem Lehramtsstudium ein bisschen hinterher? Schließlich sagten Sie, Sie bringen gerne anderen etwas bei.

Ein bisschen, das muss ich natürlich auch sagen. Es ist heute noch so. Ich helfe auch gerne anderen Schülern. Wenn sie irgendwo Schwächen haben, sitze ich auch gerne daneben. […]

Aber es ist ja nicht ausgeschlossen, dass ich irgendwann nochmal einen Quereinstieg mache. […] Aber wenn man auf einem toten Pferd sitzt, sollte man halt irgendwann absteigen. Und das habe ich auch gemacht. Und dann muss man auch zu der Entscheidung stehen. […] Jetzt mache ich erstmal das und mache etwas, das mir jetzt Spaß bringt und mir jetzt hilft.

Was gefällt Ihnen besonders an der Ausbildung an der Euro Akademie Hamburg?

[…] Dass man sich kennt, gerade mit Sprachlehrern ist man dann auch per Du. Also zumindest mit unseren Englischlehrern und Spanischlehrern duzen wir uns. Und auch die Klasse, die einfach zusammenhält … […] Es ist ein lockeres, verständnisvolles Lernen, auch ein individuelles Lernen teilweise, wenn man gefördert wird persönlich, wenn nach dem Vier-Augen-Gespräch […] der Dozent weiß, wo die Schwächen sind, und einem dann auch geholfen wird. Das ist schon schön. Und das gefällt mir halt wirklich besonders.

Haben Sie bereits Praktika absolviert?

Ja, in meinem Pflichtpraktikum war ich bei European XFEL, das ist ein großes Wissenschaftsunternehmen. Die haben da vor kurzem für über eine Milliarde Euro einen großen Röntgen-Laser gebaut. Der geht dann 2017 in Betrieb. Und da habe ich mein Praktikum gemacht im User Office. Also wenn Leute kommen und den benutzen wollen, dann geht das über das User Office. Da habe ich gearbeitet und ich habe das Glück gehabt, dass ich nach meinem Praktikum dort einen Nebenjob bekommen habe, mit dem ich auch meine Ausbildung finanzieren kann. […]

Ein neuer Plan für die Zukunft

Was haben Sie nach dem Abschluss als Fremdsprachenkorrespondent vor?

Also entweder bewerbe ich mich, wenn ich fertig bin, bei XFEL […]. Ich bin momentan in der PR und das gefällt mir ganz gut. Und wenn die da jemanden brauchen, wäre ich da sehr gerne bereit beziehungsweise wenn im User Office Leute gesucht werden, würde ich mich da auch sehr gerne bewerben. Aber grundsätzlich bin ich da recht frei.

Momentan gucke ich mich um, was es alles gibt, aber der Vertrieb würde mich sehr interessieren, ansonsten alles, was so Richtung PR geht, wo ich dann wirklich mit Menschen interagieren kann. Das wäre schon toll.

Das heißt, Sie wollen direkt ins Berufsleben einsteigen. Sie haben an der Euro Akademie auch die Möglichkeit, eine Aufbauausbildung zu machen oder ein Studium an einer der Partnerhochschulen. Was spricht für Sie dagegen?

Ich habe das Ganze ja gemacht, damit ich nicht weiterstudieren muss. […] Erstmal will ich mein Leben selbst in den Griff kriegen, und sagen, ich habe eine eigene Wohnung, ich habe ein eigenes Leben, ich habe ein eigenes Einkommen. […] Danach sehe ich weiter.

Dann kann ich immer noch sagen, ich habe jetzt hier mein Leben […] und kann mir die Zeit nehmen zu sagen, ich mache jetzt ein Studium oder mache irgendwas neben meiner Arbeit. Oder ich sage eben, ich […] kann in den Lehrberuf […] und unterrichte dann eben Englisch oder das Fachgebiet, in dem ich gearbeitet habe.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg in der Ausbildung!

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Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.