Interview mit Übersetzerin Eva-Maria Kiel: 
Ein „wandelndes Wörterbuch“ im Traumjob

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Einen Beruf, wie ihn Eva-Maria Kiel hat, wünschen sich viele, die eine Ausbildung zum Dolmetscher und Übersetzer machen. Sie arbeitet beim Euro-Communication-Service (ECS), der Übersetzungen, Dolmetscher-Dienste, Lektorat, Sprachtests sowie darauf vorbereitende Sprachtrainings anbietet. Ein facettenreiches Aufgabenfeld, bei dem es ihr nie langweilig wird.

Nach ihrem Bachelor im Fach „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ hat Frau Kiel den Master in Übersetzungswissenschaft angehängt. Noch relativ neu im Berufsleben schildert sie ihre Erfahrungen in einem Gespräch mit der Redaktion des Euro Akademie Magazins.

Übersetzerin Eva-Maria KielWie lange arbeiten Sie bereits als Übersetzerin?

Als Übersetzerin tätig bin ich erst seit Oktober 2015. Nach meinem Studium ist die Arbeit bei ECS meine erste Anstellung.

Was hat Ihnen ursprünglich den Anreiz dazu gegeben, diesen Beruf zu ergreifen?

Schon in der Schule waren Fremdsprachen meine Stärke. Da ich mir leicht Vokabeln merken konnte und die Grammatikregeln schnell in ein Sprachgefühl übergegangen sind, nannten mich meine Mitschüler auch „das wandelnde Wörterbuch“ und ich hatte meist die richtigen Antworten parat. Da lag es nahe, ein Studium im Bereich Sprachen zu beginnen. Außerdem fällt mir das Produzieren von Texten zwar relativ leicht, ich verfasse aber ungern frei Texte. Beim Übersetzen orientiert man sich dagegen an einem bereits verfassten Text, den man nur noch in die andere Sprache übertragen muss. Während meines Bachelor-Studiums hat sich dann bestätigt, dass mir das Übersetzen viel Spaß macht.

Welche Alternativen in der Berufswahl hätten Sie nach Ihrem Master in der Übersetzungswissenschaft noch gehabt?

Als Übersetzer hat man zum einen die Möglichkeit, auf freiberuflicher Basis zu arbeiten. Allerdings muss man dann zusehen, dass man genügend Aufträge an Land zieht, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Alternative dazu ist eine Festanstellung bei einem Übersetzungsbüro wie ECS oder bei einem großen Unternehmen beziehungsweise einer internationalen Institution mit eigener Übersetzungsabteilung.
Davon abgesehen kann man, wenn man das seltene Talent dazu hat, auch als Dolmetscher arbeiten. Dazu ist jedoch eine spezielle Ausbildung oder zumindest irgendeine Art von Training notwendig, da Dolmetschen absolut nicht einfach ist. Neben der Herausforderung, gleichzeitig zu hören und zu sprechen, müssen beide Sprachen perfekt beherrscht werden. Denn man kann dabei nicht mal eben ein Wort im Wörterbuch nachschlagen!

Was schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeit?

Wenn ich übersetze, vergesse ich quasi alles um mich herum – ich bin komplett vertieft in den Text und die Zeit vergeht wie im Flug. Neben diesem „Flow“-Erlebnis schätze ich am Übersetzen die Abwechslung zwischen allen möglichen Arten von Texten – von medizinischen Fachtexten über Urkunden bis hin zu Internetseiten – aber auch zwischen anderen Nebentätigkeiten wie Auftragsabwicklung, Kundenkontakt und so weiter. Dabei steht man jedes Mal wieder vor neuen Herausforderungen, sodass es nie langweilig wird.

Es ist zudem ein ganz besonderes Gefühl zu wissen, dass die eigene Übersetzung einem bestimmten Zweck dient oder sogar für alle lesbar veröffentlicht wird. Neben meiner Tätigkeit als Übersetzerin lese ich auch Übersetzungen aus vielen anderen spannenden Sprachen gegen. Dabei lerne ich automatisch jeden Tag ein Stück von einer neuen Sprache.

Und was sind die größten Herausforderungen?

Im Arbeitsalltag stößt man häufig auf Übersetzungsprobleme, die in der Übersetzungswissenschaft thematisiert werden. Dies können sogenannte Kulturspezifika sein, wie zum Beispiel bestimmte Namen von Institutionen. Hier stellt sich die Frage, ob es eine entsprechende Bezeichnung in der anderen Sprache gibt, die also „äquivalent“ ist, oder ob dieser Teil unübersetzbar ist und somit entweder in der Fremdsprache beibehalten oder umschrieben werden muss. Auch der Faktor Zeit kann manchmal eine Herausforderung sein, wenn es einmal schnell gehen muss.

Gab es besonders ausgefallene Übersetzungsaufträge, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind? Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Da man als Übersetzer unter anderem mit privaten Dokumenten in Kontakt kommt, liest man manchmal auch von schweren Schicksalen, zum Beispiel in Gerichtsurteilen oder Arztbriefen. Das kann einen schon bewegen.

Mit Sprachgefühl zum Übersetzer

Wie viele Sprachen sollte man mindestens können, um als Übersetzer tätig zu sein?

Mindestens zwei natürlich: die Muttersprache und eine Fremdsprache. Allerdings könnten bei bestimmten Studiengängen eventuell zwei Fremdsprachen notwendig sein, die sogenannten B- und C-Sprachen.

Welche Sprachen sprechen Sie?

Neben meiner Muttersprache Deutsch spreche ich Englisch und Französisch. In der Schule habe ich auch Latein gelernt, was beim Lernen dieser Sprachen auch hilfreich ist, insbesondere was Fachbegriffe betrifft.

Welche davon gefällt Ihnen am besten und wieso?

Jede Sprache hat ihre Vorzüge. Englisch ist besonders einfach gestrickt. Nicht nur was die Grammatik betrifft, sondern auch die Bildung von zusammengesetzten Wörtern. Dafür ist die französische Sprache so schön melodisch und ausschmückend und arbeitet oft mit bildhaften Beschreibungen, sodass man mit der Sprache spielen kann.

Viele Menschen haben schon Probleme damit, nur eine Fremdsprache zu lernen. Woran liegt es, dass es Ihnen leichter fällt? Haben Sie einen Trick?

Ich schätze, man muss einfach ein Talent dafür haben, ein Gefühl für die Sprache. Mir hat geholfen, dass ich besonders gut auswendig lernen kann, indem ich mir die Vokabeln einmal anschaue, dann die eine Spalte zuhalte und die Antwort immer wieder aufschreibe. Dabei kommt es allerdings darauf an, ob man besser durch Schreiben oder Hören lernt.

Natürlich ist es ideal, wenn man die Gelegenheit hat, einige Zeit im Ausland zu verbringen, etwa im Rahmen eines Praktikums oder Auslandssemesters, was auch Teil meines Studiums war. So konnte ich während eines dreimonatigen Praktikums in Brüssel mein Französisch aufpolieren. Auch Lern-Softwares oder Internetplattformen sind eine tolle Sache.

Wenn Sie noch eine Sprache neu lernen würden, für welche würden Sie sich entscheiden und wieso?

Schwer zu sagen. Einerseits würde mir Spanisch oder Italienisch wahrscheinlich sehr leicht fallen, da diese mit Französisch beziehungsweise Latein verwandt sind. Andererseits würden mich auch exotischere Sprachen reizen. So habe ich zum Beispiel während meiner Arbeit bereits die arabischen und persischen Ziffern gelernt, einfach weil es mich so brennend interessiert hat und es super praktisch ist, wenn man eine Übersetzung in diesen Sprachen Korrektur lesen muss.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

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