Lernpartnerschaften: Gemeinsam ans Lernziel

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Hat einer meiner Schüler eine 5 oder 6, ist das auch eine 5 oder 6 für meine Arbeit – denn dann ist es mir nicht gelungen, den Schüler dort abzuholen, wo er steht. Und ich habe es auch nicht geschafft, ihn erfolgreich zu unserem Ziel zu führen.

In diesem Punkt driften jedoch häufig die Perspektiven von mir und meinen Schülern auseinander. Wenn ich die schlechte Note zurückgebe, beschuldigt mich der Schüler, ihn nicht korrekt bewertet oder verstanden zu haben. Ich selbst wiederum distanziere mich von meiner Verantwortung, indem ich es so hinstelle, als wäre der Schüler ganz objektiv faul, unzuverlässig oder dumm.

Zwischen Lernendem und Lehrendem existiert eine Beziehung und diese ist bei weitem nicht so „neutral“ wie wir uns das gerne vorstellen. In der Zusammenarbeit liegt der Schlüssel zum Erfolg beim Erreichen des Lernzieles.

Das gleiche gilt im Übrigen für die Lernziele selbst. Auch da möchten wir gerne Glauben machen, dass es Dinge gibt, die ganz „objektiv“ gut sind und ein jeder braucht. Dabei wissen wir längst: Die Welt ist so vielfältig und wird es immer mehr, dass eindimensionale Lösungen schon längst nicht mehr angemessen sind. Im Leben brauchen wir Menschen, die geduldig sind, weil sie uns Ruhe und Gelassenheit schenken, und wir brauchen Menschen voller Ungeduld, weil sie uns im Denken vorantreiben. Wir brauchen Menschen, die zweifeln, weil sie die Welt in Frage stellen und wir brauchen Menschen, die anpacken, weil sie die Basis für unser aller Leben schaffen.

Anstatt weiter daran festzuhalten, dass wir ein Ziel haben und darüber irritiert zu sein, dass die Welt so vielfältig ist, sollten wir lieber die Welt in ihrer Vielfalt und mit all ihrer Farbenpracht genießen und aus dieser Perspektive heraus unterrichten.

Für die Lernpartnerschaft mit unseren Schülern heißt das: Wir nehmen die Schüler so, wie sie sind und kultivieren ihre Ressourcen – damit jeder Schüler seinen individuellen Weg findet. In diesem Prozess müssen wir Lehrenden mit den Lernenden so zusammenarbeiten, dass wir gemeinsam einen „sehr guten“ Weg finden. Die Verantwortung dafür liegt bei beiden: beim Lernenden genauso wie beim Lehrenden.

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Autor

Barbara Tauber

Barbara Tauber, ehemalige Dozentin an der Euro Akademie Berlin, betreute bis August 2017 das Projekt "Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas" federführend. Sie engagiert sich für eine neue Lernkultur: Schüler gestalten aktiv und eigenverantwortlich ihren Lernprozess, Dozenten werden zu Coachs, die diesen Lernprozess unterstützen und begleiten. In diesem Blog schildert sie Erfahrungen aus ihrem pädagogischen Alltag.