Ausbildung in der Ferne: Im Gespräch mit zwei Schüler*innen aus Vietnam

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Eine Ausbildung ist für die meisten jungen Menschen der Einstieg in den Beruf. Für Bui, Thanh Phuong und Nguyen, Phu Loc ist sie ein Start in ein neues Leben. Die beiden sind aus Vietnam nach Deutschland gekommen, um an der Euro Akademie Weißenfels eine Ausbildung zum*r Pflegefachmann*frau zu absolvieren. Wir haben mit ihnen über ihre mutige Entscheidung gesprochen, mehr als 9000 Kilometer entfernt von ihrer Heimat eine Ausbildung zu machen. Wie ihr erster Eindruck in Deutschland war, was sie gegen Heimweh zun und wie sie die fremde Sprache lernen? Lesen Sie selbst.

Es ist ein weiter Weg von Vietnam nach Deutschland. Warum haben Sie sich für die Ausbildung zum*r Pflegefachmann*frau in Deutschland entschieden?

Bui, Thanh Phuong: Ich habe mich entschieden, für diese Ausbildung nach Deutschland zu gehen, weil der Beruf in meiner Heimat nicht so gefragt und beliebt ist. Bei uns kümmert sich meistens die Familie um alte und kranke Menschen. Außerdem habe ich gehört, dass in Deutschland dringend Menschen gesucht werden, die in diesem Beruf arbeiten wollen. Pflegefachfrau ist mein Traumberuf und ich denke, dass die Ausbildung hier für mich eine gute Chance ist.

Nguyen, Phu Loc: In Deutschland gibt es viele alte Menschen, die ganz allein leben. Diese Menschen will ich unterstützen. Deutschland ist außerdem mein Lieblingsland, weil es hier eine gute soziale Absicherung gibt.

Was war Ihr erster Eindruck, Ihr erstes Erlebnis, als Sie in Deutschland ankamen?

Bui, Thanh Phuong: Als ich im März nach Deutschland gekommen bin, hat es gerade stark geschneit. Ich war sehr schockiert, weil es in Vietnam sehr warm war und hier war es furchtbar kalt, eine ungewohnte Kälte. Schnee kannte ich ja bisher nur aus dem Fernsehen. Aber es war auch wunderbar, ich habe also gleich viel erlebt. Wir haben sofort eine Schneeballschlacht gemacht. Auch die Zeitumstellung war neu für mich, daran muss ich mich erst gewöhnen.

Nguyen, Phu Loc: Ich mag die Natur und die saubere Luft hier in Deutschland. Im Grünen kann man sich gut erholen und Stress abbauen. Ich fotografiere auch sehr gern und hier finde ich viele Motive.

Um eine Ausbildung beginnen zu können, braucht man erstmal Deutschkenntnisse. Wann und wo konnten Sie die deutsche Sprache erlernen?

Bui, Thanh Phuong: Es ist wirklich schwer, Deutsch zu lernen und zu sprechen. Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich in Vietnam an einem Sprachkurs teilgenommen und die Prüfung B1 gemacht. Hier in Deutschland habe ich dann in Weißenfels an der Euro Akademie in einem Intensivkurs weiter Deutsch gelernt. Das war sehr herausfordernd. Im Praktikum in der Pflegeeinrichtung habe ich mich viel mit meinen Kollegen unterhalten und sie haben mir viele Tipps gegeben, wie ich mein Deutsch verbessern kann.

Nguyen, Phu Loc: In Vietnam habe ich sechs Monate am Goethe-Institut Deutsch gelernt und hier an der Euro Akademie fünf Monate bei unserer Deutschlehrerin Frau Hennig. Für mich war und ist das ganz schön schwer, weil Deutsch eine ganz andere Sprache ist als meine Muttersprache.

Vietnamesisch und Deutsch sind sehr unterschiedliche Sprachen. Sie mussten bestimmt jede Menge Fleiß und Motivation mitbringen, um die Sprache zu lernen. Haben Sie einen Tipp für jemanden, der Deutsch lernen möchte?

Bui, Thanh Phuong: Ja, das stimmt, man muss sehr fleißig sein und auch motiviert. Zuerst muss man sich die Frage beantworten: Warum lernst du Deutsch? Man muss die Sprache lieben, dann klappt das ganz gut. Wörter, die ich nicht kenne, notiere ich mir normalerweise alle. Ich schreibe sie auf Lernkarten, auf die eine Seite schreibe ich die Sätze auf Deutsch, auf die andere Seite in meiner Muttersprache, dann klebe ich sie in der Wohnung an die Wand, damit ich sie immer sehe. Wichtig ist auch, dass man seinen Alltag deutsch gestaltet. Eine gute Hilfe sind deutsche Filme, denn durch Filme lernt man die Alltagssprache gut kennen.

Nguyen, Phu Loc: Man muss vor allem viel Deutsch sprechen. Außerdem sollte man jeden Tag die Zeitung lesen und viele neue Wörter lernen. Wenn man wirklich etwas sagen möchte, dann braucht man einen reichen Wortschatz.

Die theoretischen Grundlagen der Ausbildung zum*r Pflegefachmann*frau bekommen Sie an der Euro Akademie Weißenfels vermittelt. Was gefällt Ihnen besonders gut an der Ausbildung dort?

Bui, Thanh Phuong: An der Ausbildung gefällt mir besonders, dass wir etwas über die individuelle Körperpflege der Patienten lernen. Das war bei meinem Einsatz in der Pflegeeinrichtung besonders hilfreich und ich konnte die Theorie gleich anwenden. Auch mit den Lehrern bin ich zufrieden. Wir haben sehr erfahrene Lehrer. Wir sind begeistert von den Lehrern und ich denke, die Lehrer sind auch begeistert von uns.

Nguyen, Phu Loc: An der Euro Akademie in Weißenfels finde ich besonders gut, dass ich nicht nur mit vielen deutschen Schülern lerne, sondern auch, dass wir von sehr erfahrenen und netten Lehrern unterrichtet werden. Von der Schule bekommen wir viel Unterstützung, vom Schulleiter und von allen Lehrern. Sie sind im Unterricht und auch nach dem Unterricht für uns da. Eine große Hilfe ist es außerdem, dass wir eine Betreuerin haben, die aus Vietnam kommt.

Ihr Lieblings-Unterrichtsfach?

Bui, Thanh Phuong: Mein Lieblingsfach ist Anatomie, weil ich da alles entdecken kann, was zum menschlichen Körper gehört. Darauf war und bin ich neugierig. Ich will wissen, wie der Körper funktioniert, weil unser Körper ein großes Geheimnis ist.

Nguyen, Phu Loc: Mein Lieblingsfach ist auch Anatomie, weil ich da Antworten finde auf die Frage, warum ich etwas tun soll bei der Pflege und Unterstützung von Patienten.

Die praktische Ausbildung findet in verschiedenen ambulanten und stationären Einrichtungen in der Region statt. Was mögen Sie an der Arbeit mit pflegebedürftigen Menschen?

Bui, Thanh Phuong: Bei meiner bisherigen praktischen Arbeit habe ich viele gute Erfahrungen gesammelt. ich finde es schön, wenn ich mich mit so vielen alten Menschen, mit meinen Kollegen und meinem Chef unterhalten kann. Das liebe ich. Deswegen möchte ich auch mein Deutsch immer mehr verbessern und meine Kenntnisse erweitern.

Nguyen, Phu Loc: In der praktischen Ausbildung habe ich bisher in der ambulanten Pflege gearbeitet. Das war total schön für mich, weil ich so mit vielen netten älteren Menschen sprechen konnte. Die Menschen mögen mich und ich mag die Menschen. Sie haben mir viel von ihrem Leben erzählt. Manche haben oft „mein Kleiner“ zu mir gesagt und mir viel Mut zugesprochen und mir Glück gewünscht. Das tut gut

Was hat Sie in Ihrer Ausbildung bisher am meisten überrascht? Oder gibt es etwas, das Sie sich ganz anders vorgestellt hätten?

Bui, Thanh Phuong: Am meisten hat mich bisher überrascht, wie viele Krankheiten bei älteren Menschen entstehen können. Ich habe nicht gedacht, wieviel und wie schnell die Krankheiten kommen können.

Nguyen, Phu Loc: Zuerst dachte ich, dass viele Patienten sehr streng sind, weil sie Schmerzen haben und sich nicht bewegen können. Aber es war ganz anders. Meine Patienten sind sehr geduldig und leise. Sie motivieren mich auch oft.

Ein erfolgreicher Abschluss der generalistischen Pflegeausbildung erlaubt das Arbeiten in verschiedenen Pflegebereichen – von der Kinderpflege über die Krankenpflege bis zur Altenpflege. Wissen Sie schon, wo Sie später einmal arbeiten möchten?

Bui, Thanh Phuong: Nach meiner Ausbildung möchte ich unbedingt in der Altenpflege arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass ich da gebraucht werde. Ich finde, dass man sich viel mehr um ältere Menschen kümmern sollte. Viele sind hier in Deutschland im Alter sehr einsam und brauchen Menschen, die sich um sie kümmern und denen sie vertrauen können. Für mich ist das eine erfüllende Aufgabe.

Nguyen, Phu Loc: Nach Abschluss meiner Ausbildung möchte ich auch unbedingt in der Altenpflege arbeiten. Das ist der Bereich, der am besten zu mir passt.

Eine Ausbildung fernab des Heimatlandes bedeutet mehr, als einen Beruf zu erlernen. Was würden Sie jungen Menschen raten, die eine Ausbildung in einem anderen Land absolvieren möchten? Was tun Sie zum Beispiel gegen Heimweh?

Bui, Thanh Phuong: Eine Ausbildung in einem anderen Land zu machen bedeutet mehr, als einen Beruf zu lernen. Man muss sich gut vorbereiten auf die Ausbildung und sich mit dem Land und der Kultur vertraut machen und mit der Sprache. Wenn ich Heimweh habe, dann rufe ich meine Familie an und erzähle alles, was ich in Deutschland so erlebe. Zum Glück gibt es heute viele technische Möglichkeiten. Überall gibt es Internet. Meine Familie macht mir auch immer wieder Mut und das motiviert mich zum Weitermachen, auch wenn es manchmal nicht ganz einfach ist.

Nguyen, Phu Loc: Zum Glück gibt es heutzutage viele Apps, die Menschen auf der ganzen Welt miteinander verbinden. So kann man jederzeit in Kontakt bleiben. Wenn ich Heimweh habe, rufe ich nach der Arbeit meine Familie an.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Bui, Thanh Phuong: Ich möchte eine professionelle Pflegefachfrau werden, das ist ja mein Traumberuf und ich möchte in Deutschland viel erleben und das Land gut kennenlernen.

Nguyen, Phu Loc: Ich möchte gern den Führerschein machen und möchte beim Pflegedienst „Scheunpflug“ als Pflegefachmann arbeiten.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für Ihre berufliche und persönliche Zukunft, Bui, Thanh Phuong und Nguyen, Phu Loc!


Bildquelle Beitragsbild: © Urbanscape /shutterstock.com

Autor

Tanja Höfling

Von Juli 2017 bis Juli 2022 informierte die ehemalige Online-Redakteurin des Euro Akademie Magazins regelmäßig über Aktuelles und Wissenswertes zu den Themen Ausbildung, Studium und Beruf.