Rollentausch: Zwischen Lehrerin und Kontrolleurin

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Als Lehrende befinde ich mich in einem permanenten Rollenwechsel: Einmal bin ich diejenige, die sich viel Mühe gibt, das Vertrauen zu den Studierenden aufzubauen, damit wir gemeinsam am Lernerfolg arbeiten können. Dieses Vertrauen ist die Basis eines gelungenen Unterrichts. Denn nicht durch Drohungen oder Reglementierungen lernen die meisten Menschen, sondern weil sie in einer vertrauten Atmosphäre, in der sie sich sicher fühlen, frei denken und handeln können.

Doch nachdem ich lange Zeit daran gearbeitet habe, dieses Vertrauensverhältnis zu schaffen, eine gute Lernatmosphäre aufzubauen und das Lernen so richtig in Fluss gekommen ist, wechsle ich die Rolle und werde plötzlich zur Kontrolleurin: Ich werde zur klassischen Lehrerin, die Klausuren schreiben lässt, kontrolliert und bewertet.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich zum ersten Mal über diese „Rollendiffusion“ – wie sie im Fachjargon heißt – gestolpert bin. Ich hatte einen Studierenden bei seiner Facharbeit begleitet. Über vier Monate setzte ich all meinen Ehrgeiz in die Unterstützung beim Schreiben der Arbeit mit dem Ziel, ein möglichst gutes Ergebnis zu erreichen.

Am Tag der Abgabe wechselte ich dann plötzlich die Rolle: Nun bekam ich die Arbeit, die wir schon des Öfteren diskutiert hatten, zusammen mit einem Rotstift in die Hand. Meine Aufgabe war es jetzt, sie kritisch zu lesen und zu bewerten – und das eventuell mit dem Ergebnis, dass der Studierende durch die Facharbeit fällt.

Für mich ist das ein Spagat, der kaum zu schaffen ist, und ich denke häufig über Alternativen nach. Gäbe es die Möglichkeit, zwischen der Rolle der Lehrenden und der Rolle der Kontrollierenden zu trennen? Oder könnte man die Sicherung des Lernergebnisses, vielleicht in die Hände der Studierenden geben?

Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Ich freue mich über Ihre Kommentare!

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Autor

Barbara Tauber

Barbara Tauber, ehemalige Dozentin an der Euro Akademie Berlin, betreute bis August 2017 das Projekt "Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas" federführend. Sie engagiert sich für eine neue Lernkultur: Schüler gestalten aktiv und eigenverantwortlich ihren Lernprozess, Dozenten werden zu Coachs, die diesen Lernprozess unterstützen und begleiten. In diesem Blog schildert sie Erfahrungen aus ihrem pädagogischen Alltag.