Wie viel Lehrende braucht der Lernende?

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„Erziehung ist Beziehung“ – diesen Satz zitiere ich immer wieder gerne in meinem Unterricht. Auch Unterricht speist sich von Beziehungen. Doch ist es bei Weitem nicht alles. Wir sind alle neugierig, wollen viel wissen, sind ständig auf der Suche nach Antworten auf die Fragen, die das Leben uns stellt.

Wäre damit ein Lernen um des Inhalts willen nicht viel angemessener? Gerade in der Erwachsenenbildung? Das wiederum glaube ich nicht. Mit einem Computer lernt es sich beispielsweise sehr viel schwieriger. Dazu gehört viel Selbstdisziplin. Zumindest, wenn man eine Kontinuierlichkeit erreichen möchte.
Wir brauchen einen Gegenüber, an dem wir uns reiben, den wir uns zum Vorbild oder zum Gegenstück nehmen. Wir lernen durch das Diskutieren mit anderen, durch die Auseinandersetzung und das Miteinander. Wir lernen auch durch eine Ermunterung unseres Gegenübers und lernen nicht durch die Missachtung unserer Person.

Im Lehrerkollegium diskutieren wir zurzeit die „Selbstlernphasen“. Ich bin ein großer Fan von ihnen. In Selbstlernphasen können Lernende selbst bestimmen, welchen Lernweg sie einschlagen wollen, sie müssen selbst entscheiden, woher sie ihr Wissen holen und Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess übernehmen. Damit werden sie aktiv in den Lernprozess einbezogen und das ist auch dringend erforderlich, denn das Denken an sich können wir den Lernenden nicht abnehmen.

Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum ich gerade das selbstständige Lernen als Beweis dafür bringe, dass Lernen in Beziehungen stattfindet? Gerade das selbstständige Lernen erfordert einen Weg miteinander. Es ist ein Weg, auf dem der Lehrende zum Coach wird, den man fragen, an dem man sich reiben und den man um Unterstützung bitten kann. Aber anders als in der traditionellen Schule wird der Lernende zum Subjekt und damit Beziehung erst richtig möglich.

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Autor

Barbara Tauber

Barbara Tauber, ehemalige Dozentin an der Euro Akademie Berlin, betreute bis August 2017 das Projekt "Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas" federführend. Sie engagiert sich für eine neue Lernkultur: Schüler gestalten aktiv und eigenverantwortlich ihren Lernprozess, Dozenten werden zu Coachs, die diesen Lernprozess unterstützen und begleiten. In diesem Blog schildert sie Erfahrungen aus ihrem pädagogischen Alltag.