Wie ich wieder zur Schülerin wurde

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Neulich habe ich einen Schüler aufgefordert, einmal in der Kita seines Sohnes zwei Fragen zu stellen, die für unseren Unterricht von Nutzen wären. Die Antwort lautete: „Sie glauben doch nicht etwa, dass ich in der Kita meines SOHNES sage, dass ich noch in die Schule gehe!“

Mich hat das irritiert. Gerade, weil ich es irgendwie nachvollziehen kann. Auch ich sage lieber, dass ich Lehrerin bin, als dass ich behaupten würde, dass ich noch Schülerin sei. Ich stehe sozusagen auf der richtigen Seite des Pultes.

Dabei stimmt das nicht ganz. Ich lerne sehr viel im Unterricht dazu. Weil ich komplizierte Dinge klar darstellen muss und mich nicht hinter gestelztem Fachjargon verstecken kann. Weil SchülerInnen Fragen stellen, bei deren Beantwortung mir selbst einiges klar wird und weil Fragen entstehen, die tief gehen und die ich selbst nachschlagen muss. So lerne ich als Lehrerin ein Leben lang, ohne dass es auffällt, dass ich mich in einem permanenten Lernprozess befinde.

Für mich hat dieses Lernen Vorbildcharakter für eine neue Art des miteinander Lernens. Die Welt ist dabei komplexer als mein Wissen: Viele meiner SchülerInnen wissen in Vielem viel viel mehr als ich. Effektiver ist es deshalb, wenn wir im Austausch lernen zu lernen: Indem die SchülerInnen nicht mehr Klausuren schreiben, die meine Kinder kurzgefasst als Bulimielernen bezeichnen: Abends hineingestopft und morgens ausgek… , sondern indem wir uns gegenseitig komplizierte Dinge, die uns beschäftigen und die wir für das Leben brauchen, klar für den anderen darstellen. In Portfolios. Auf Postern. In Projekten. Auf Kongressen, auf denen wir uns miteinander austauschen.

Ich habe einen Traum…: eine Schule auf Augenhöhe. Und konsequenterweise ohne Noten. Nicht um einen „Kuschelkurs“ zu fahren, sondern um die Effektivität des Lernens zu steigern. Was spricht schon dagegen?

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Autor

Barbara Tauber

Barbara Tauber, ehemalige Dozentin an der Euro Akademie Berlin, betreute bis August 2017 das Projekt "Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas" federführend. Sie engagiert sich für eine neue Lernkultur: Schüler gestalten aktiv und eigenverantwortlich ihren Lernprozess, Dozenten werden zu Coachs, die diesen Lernprozess unterstützen und begleiten. In diesem Blog schildert sie Erfahrungen aus ihrem pädagogischen Alltag.