Dopamin-Fasten: Glück durch Glücksentzug

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Am heutigen Aschermittwoch beginnt für viele Christ*innen die Fastenzeit. Doch auch unabhängig von religiösen Hintergründen und Werten ist Verzicht gerade in. Denn gerade in unserem Alltag, der von Überfluss geprägt ist, kann die Rückbesinnung auf das Wesentliche Ruhe, Sinn und Glück bringen – durch Social-Media-Fasten, Saftkuren oder Alkoholfasten. Eine radikalere Form der Einschränkung schwappt nun als neuer Trend aus dem Silicon Valley nach Deutschland herüber: das Dopamin-Fasten. Durch Verzicht auf das Glückshormon können wir der Überstimulation entfliehen und wieder empfänglicher für die Reize unserer Umwelt werden, so die Theorie. Aber was ist dran am neuen Fastentrend – liegt der Schlüssel zum Glücklichsein tatsächlich im Glücksentzug?

Was ist Dopamin eigentlich?

Dopamin, Serotonin, Endorphin – von diesen Glückshormonen haben Sie bestimmt schon gehört. Die Botenstoffe steuern unser Wohlbefinden und rufen Glücksgefühle hervor. Dopamin übernimmt dabei die Rolle des „Belohnungs-Hormons“. Egal, ob unser Insta-Post gelikt wird, das Paket mit den neuen Schuhen endlich ankommt, der Burger verdammt lecker schmeckt oder wir endlich den Boss in Elden Ring besiegen – unser Gehirn schüttet Dopamin aus und wir fühlen ein kurzes Hochgefühl. Doch dieses High kann süchtig machen.

Würden wir Menschen ein „normales“ Leben führen, wäre Dopaminsucht sicher kein Problem. Denn evolutionär sind wir noch darauf ausgerichtet, in kleinen Gemeinschaften zu leben, unsere Nahrung selbst zu jagen oder zu sammeln und damit auch von den anderen Bewohner*innen des Stammes abhängig zu sein. Klar ist es da sinnvoll, dass positive Gespräche, Geschlechtsverkehr und andere soziale Interaktionen Glücksgefühle hervorrufen, dass wir uns gut fühlen, wenn wir etwas erreichen (zum Beispiel ein Mammut besiegen) und dass nährstoffreiches Essen uns glücklich macht.

Doch die Strategien, die lange Zeit – über 100.000 Jahre lang – nützlich waren, sind in der modernen Welt gefährlich. Denn nun werden wir überflutet mit Belohnungs-Anreizen. News, Mails, soziale Medien, Filme, Serien, Musik, Podcasts – wir werden ständig stimuliert und haben kaum ruhige Momente, in denen wir einfach mal nichts tun. Und wie bei einer Droge stumpfen wir langsam ab und brauchen immer häufigere „Kicks“, um zufrieden zu sein. Die Folge: Wir fühlen uns unglücklich und leer. Da hilft nur ein Entzug.

Wie funktioniert Dopamin-Fasten?

Genau da setzt das Dopamin-Fasten an. Die Idee dahinter: Wer längere Zeit auf möglichst viele Reize verzichtet, die eine Dopaminausschüttung zur Folge hätten, reagiert anschließend sensitiver auf Dopamin und ist deshalb glücklicher. Einfach mal Nichtstun lautet also die Devise. Je nach Radikalität des Entzugs kann man nur auf PC, Fernseher und Handy verzichten oder sich fast allen Reizen entziehen und auch das Lesen, Sprechen und Essen einschränken. Und auch bei der Dauer ist das Dopamin-Fasten sehr flexibel: Schon wenige Stunden können helfen, der Reizüberflutung zu entfliehen. Aber natürlich sind auch mehrere Tage oder sogar Wochen Dopamin-Detox möglich.

Durch die Fastenkur soll sich das Gehirn sozusagen neu programmieren: Man reagiert wieder intensiver auf Umweltreize und fühlt sich insgesamt glücklicher. Das klingt für mich als Laie ziemlich einleuchtend – aber funktioniert das wirklich? „Wenn man nicht mehr diese Stimuli um sich herum hat, die einen zu bestimmten Tätigkeiten drängen, ist man achtsamer. Ich glaube, diese Achtsamkeit führt tatsächlich zu einer größeren Zufriedenheit,“ beantwortet Psychologe und Gehirnforscher Dr. Gordon Feld dem Redaktionsnetzwerk Deutschland die Frage nach dem Nutzen des Dopamin-Fastens. Auch andere Wissenschaftler*innen äußern sich positiv, obwohl Dopamin-Detox natürlich kein Wundermittel ist. Und auch den Verzicht auf Reize sollte man nicht übertreiben, wie der Suchttherapeut Christian Groß auf quarks.de darlegt: Macht man das zu exzessiv, kann man auch in depressive Episoden abrutschen. Genau wie bei der Ernährung muss jeder für sich überlegen, welche Form der Lebensgestaltung sinnvoll und gesund ist.“

Alte Ideen im neuen Gewand

Dopamin-Fasten kann sich – in Maßen praktiziert – also positiv auf das eigene Glücksempfinden auswirken. Kein Wunder, dass der Trend aktuell in aller Munde ist – dabei ist die Idee gar nicht neu. Buddhistische Mönche üben sich seit mehreren tausend Jahren im Reizverzicht. Auch wenn Meditationvielleicht weniger sexy klingt als Dopamin-Detox – die Prinzipien sind dieselben. Viele andere Kulturen legen ebenfalls Wert auf Achtsamkeit. Auf der Insel Bali wird zum Beispiel „Nyepi“, der Tag der Stille, zelebriert. Für 24 Stunden wird auf Arbeit, Sprechen, Essen, Reisen und alle anderen Vergnügungen verzichtet, Radio- und Fernsehstationen senden kein Programm, der Flug- und Fahrzeugverkehr wird unterbrochen und eine tiefe Stille senkt sich über die Insel. Dieser Verzicht soll zur spirituellen Reinheit führen.

Dopamin-Diät für Anfänger*innen

Mir persönlich fällt es schwer, einen ganzen Tag lang auf Handy, Computer und Fernseher zu verzichten. Zu groß ist die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen (und mein Chef wäre auch nicht begeistert). Zum Glück gibt es auch sanfte Möglichkeiten, sich langsam ans Dopamin-Fasten heranzutasten. Ein erster Schritt wäre zum Beispiel, das Handy am Wochenende einfach mal ein paar Stunden auszuschalten und stattdessen bei einem langen Spaziergang die Natur zu genießen (ja, ohne dabei Fotos für Instagram zu schießen). Oder warum nicht mal eine Social-Media-App für eine Woche deinstallieren? Danach dürfen Sie die App wieder herunterladen – wenn Sie das überhaupt noch möchten. Die ständigen Push-Benachrichtigungen auf Handy und PC können Sie auch für ein paar Tage deaktivieren und bewusst nach Mails, Apps und News schauen, wenn Ihnen danach ist.

Versuchen Sie, Ihre persönlichen Dopamin-Fallen zu identifizieren und für eine Weile darauf zu verzichten. Und selbst, wenn es am Anfang nur wenige Minuten sind: Mit ein bisschen Geduld und Übung schaffen Sie es, der Reizüberflutung zu entkommen und wieder empfänglicher für Ihre eigene, innere Zufriedenheit zu werden.


Bildquelle Beitragsbild: © Antonov Maxim /shutterstock.com

Autor

Anna Rüppel

Anna Rüppel ist mit 1,78 m die Größte, wenn es um Ausbildung und Beruf geht. Als Kind war sie kleiner. Von April 2019 bis November 2022 schrieb sie kleinere und größere Artikel für das Euro Akademie Magazin.