Riesiges Seniorenheim – Logische Folge einer alternden Gesellschaft?

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In einem winzigen Dorf im Bayerischen Wald soll ein riesiges Seniorenheim entstehen – mit Abstand das größte Deutschlands. Noch ist nichts entschieden, aber es besteht Diskussionsbedarf. Kann Pflege in diesen Dimensionen funktionieren und ist die Massenversorgung von Senioren ein Weg, den wir unweigerlich gehen müssen?

Aus dem Alter wird ein Geschäft. Überraschend ist das wenig, schließlich versucht die Wirtschaft naturgemäß, aus allem den größtmöglichen Profit zu machen. Laut Statista sind derzeit 17,3 Millionen Deutsche 65 Jahre oder älter. Zum Vergleich: 1990 waren es noch fünf Millionen weniger. Der Markt an Senioren ist also da und wächst. Der demografische Wandel lässt sich schließlich nicht verleugnen.

Ein gewaltiges Projekt im Bereich Pflege

Wie man aus einer alternden Gesellschaft am besten Gewinn schlägt, wollen nun einige findige Investoren herausgefunden haben. Sie planen, im Bayerischen Wald ein riesiges Seniorenheim zu bauen. Das XXL-Format soll die Gewinnspanne vergrößern, indem die Ausgaben im Vergleich zu mehreren kleinen Einrichtungen mit einer insgesamt gleichen Anzahl an Plätzen gesenkt werden. Auch die Grundstückskosten dürften in dem kleinen Dorf mit gerade einmal ein paar Hundert Einwohnern überschaubar sein.

Auf der anderen Seite dürfte es dafür allerdings keine Förderungen von öffentlicher Seite geben, da der Bedarf eines so großen Seniorenheims nicht gegeben ist. Ob die Rechnung dennoch aufgeht, wissen wohl nur die Bauherren selbst.

Riesiges Seniorenheim – Fluch oder Segen?

Wie groß das Seniorenheim wirklich werden soll, ist dann aber bei allem Geschäftssinn doch schockierend: Es sollen 3500 Plätze entstehen. Damit wäre es auf Rang eins bei Deutschlands größten Pflegeheimen und würde das Hospital zum Heiligen Geist in Hamburg mit 1100 Betten von der Spitze verdrängen.

Aus der Größe resultieren nicht nur bedeutende Veränderungen in der Qualität der Pflege, verglichen mit kleineren Einrichtungen, sondern auch für die Untermitterdorfer. Deren neue Mitbürger wären bei voller Belegung des Altenheims plötzlich um das Zehnfache in der Überzahl. Selbst in der Gemeinde Kirchberg, zu der Untermitterdorf zählt, wohnen nur rund 4300 Menschen. Von der Anzahl der möglichen Neuankömmlinge fühlen sich viele dort erst einmal erschlagen.

Abgesehen von den Bedürfnissen des Dorfes, die bald von einer betagten Mehrheit festgelegt werden könnten, wirft auch das Thema der Infrastruktur einige Fragen auf. Es würden sowohl neue Straßen und Stromleitungen als auch Kanäle und eine Kläranlage nötig – nicht nur für die vielen Bewohner. Auch die zahlreichen benötigten Angestellten müssen irgendwo wohnen. Andere wiederum sehen in diesem möglichen schlagartigen Wachstum eine große Chance für die Region.

Konkret ist das Projekt noch nicht und ob dem Ganzen zugestimmt wird, ist ebenfalls noch unklar. Dennoch wurde zumindest bereits beim Bürgermeister angefragt und die Vorstellung eines Nachbarn in Form einer gewaltigen Seniorenresidenz ist seitdem das Hauptgesprächsthema.

Was ein Altenheim bietet

In einem Seniorenheim werden ältere pflegebedürftige Menschen betreut. Sie können nicht mehr alleine leben und sich selbst versorgen und sind deshalb ständig auf Hilfe angewiesen. Diese leisten Altenpfleger und Altenpflegehelfer. Rund um die Uhr ist das Personal vor Ort, um sowohl pflegerische als auch hauswirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten.

Damit dies bei einer Seniorenresidenz mit 3500 Betten funktioniert, muss der Mitarbeiterstab ebenfalls gewaltig sein und das Management muss perfekt planen. Denn die Bewohner leben normalerweise auch im Altenheim nach einem strukturierten Tagesablauf, der ähnlich dem von zuhause gewohnten Zeitplan ist. Individuelle Wünsche können – je nach Qualität der Einrichtung – zusätzlich erfüllt werden.

Schon in kleinen Dimensionen hadern die Mitarbeiter oftmals mit dem Arbeitsaufwand, da der Betreuungsschlüssel noch nicht perfekt ist, kurzfristig Kräfte ausfallen oder das Stundenkonto eines Kollegen weit überschritten ist. Da es sich bei den Betreuten um Menschen handelt, kann außerdem nicht alles hundertprozentig geplant werden. So kommt es immer wieder zu spontanen Verschiebungen und Zwischenfällen, die sofortiger Aufmerksamkeit bedürfen.

Kommender Trend oder unrealistisches Zukunftsszenario?

Kann ein riesiges Seniorenheim all das leisten? Oder driftet unsere Gesellschaft mit diesem Modell in das Konzept einer Pflegebatterie ab? Analog zur Industrie wäre es aus wirtschaftlicher Sicht der nächste logische Schritt, die Dimensionen zu vergrößern, um den Profit zu steigern. Natürlich geht es hierbei nicht um Produkte, sondern um Lebewesen. Allerdings darf man sich mit diesem Argument auch die Produktionskette der Nahrungsmittelherstellung nicht allzu genau ansehen.

Es bleibt uns also zu hoffen, dass trotz des geplanten Ausmaßes der Einrichtung die Menschlichkeit in der Pflege erhalten bleibt.

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Autor

Katharina Boyens

Katharina Boyens ist Germanistin und Anglistin mit einem Faible fürs Schreiben. Von März 2016 bis Januar 2021 bereicherte sie das Euro Akademie Magazin mit lesenswerten Beiträgen in verschiedenen Rubriken.