Humor und Herzlichkeit im Pflegealltag

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Dass der Alltag im Seniorenheim nicht nur aus Verbitterung und Unzufriedenheit besteht, mag man angesichts der aktuellen Pflegekrise gar nicht glauben. Zum Glück gibt es auch die andere, fröhliche Seite – und Menschen, die uns diese vorstellen. 

In einer liebevollen, wertschätzenden Sprache lässt uns die Pflegerin und Autorin Ute Schmidt-Hackenberg in ihrer Geschichtensammlung mit dem fröhlichen Titel „Humor und Herzlichkeit – Geschichten aus dem Pflegealltag“ an ihrem ebenso anrührenden wie amüsanten Arbeitsalltag teilhaben. 

Humor und Feinsinn

Wie schon meine Kollegin Tanja Höfling in ihrem letzten Artikel im Euro Akademie Magazin deutlich gemacht hat, ist Humor auch aus dem Berufsleben nicht wegzudenken. Manch ein Job in unseren Lebensläufen mag nur mit Galgenhumor zu ertragen gewesen sein. Klar – mein Kellnerjob im Studium hat mir nicht wirklich Spaß gebracht, sondern eher Glasscherben. Und abgesehen davon etwas Lebensunterhalt. Aber hier geht es nicht um diese Sorte von schwarzem Humor, der einen den Broterwerbsjob überhaupt ertragen lässt – sondern um Feinsinn. Und davon haben die Bewohner*innen aus Frau Schmidt-Hackenbergs Seniorenheim jede Menge.

Dement? Na und!

Sie sind selten frustriert aufgrund ihrer Situation. Auch wenn sie im Rollstuhl sitzen oder dement sind – also auf die eine oder die andere Art unbeweglich (körperlich oder geistig, manchmal auch beides) – nehmen sie am Leben teil. Und lachen. Und scherzen. Über Alltägliches. Aber auch über ihre kleineren Wehwehchen und größeren Leiden. Und sie finden passenden Beschreibungen dafür. So erklärt eine alte Dame, dass sie „die richtigen Schlüssel für die Türen nicht mehr findet“. Die Rede ist nicht davon, dass sie ihr Zimmer nicht mehr aufschließen kann, sondern davon, dass aufgrund ihrer Demenz im Oberstübchen etwas nicht mehr passt.  

Genaue Beobachtungsgabe

Frau Schmidt-Hackenberg beobachtet ihre Protagonist*innen genau. So können wir uns bildlich vorstellen, wie die alte Frau Schwarz am Tisch sitzt, „die Unterlippe vorschiebt, sich im Stuhl zurücklehnt, den Kopf schüttelt und vor sich hinmurmelt“. Und das alles nur wegen ein paar Bohrmaschinen in einem Versandhauskatalog. Die fein gezeichneten Charaktere entfalten auf den Seiten des Buches ihre komplette Schrulligkeit, die sie sich über all die Jahre angeeignet haben. Beim Lesen sitzt man förmlich direkt neben ihnen beim Basteln, Singen in den Gruppenräumen und beim Beobachten der Vögel auf der Terrasse des Seniorenheims, wo sich alles abspielt. 

Aus der Zeit gefallen

Die Sprache in diesem Buch ist immer wertschätzend und liebevoll. Ein Bewohner, dessen Name wohl nicht genannt werden soll, wird bei der Vorbereitung eines spitzfindigen Kommentars wie folgt beschrieben: „(…) über sein rundes Gesicht huscht ein verschmitztes Lächeln und in seinen runden, braunen Äuglein sitzt der Schalk.“ Diese antiquiert anmutende Sprache wird den beschriebenen Personen gerecht. Sie scheint – ebenso wie die Beschriebenen – aus einer anderen Zeit zu sein, in denen Höflichkeit und Respekt noch eine größere Rolle spielten als in unserer heutigen Gesellschaft.

Heikle Themen

Eben weil Frau Schmidt-Hackenberg ihre „alten Herrschaften“ mit Respekt behandelt und sie an keiner Stelle kompromittiert, darf sie auch peinliche Dinge ansprechen. Denn auch die gehören zum Alltag in der Pflege und sollten in einer Geschichtensammlung, die aus dem täglichen Leben gegriffen ist, nicht fehlen. Ein Thema ist beispielsweise das unkontrollierte Wasserlassen – das den meisten von uns, werte Leser*innen, auf lange Sicht auch nicht erspart bleiben wird. Wieso sollte man es dann zu einem Tabu machen? 

Lampenfieber ade!

Wer sich auch über die Anekdoten in dieser Sammlung freuen kann, sind Auszubildende in Pflegeberufen. Dieser Personengruppe ist eine eigene Geschichte gewidmet, die von einer humorvollen Prüfungssituation handelt – und dem Prüfling schnell das Lampenfieber nimmt, indem sie zeigt, dass sowohl Prüflinge als auch Prüfer*innen nur Menschen sind. Und die Senior*innen sowieso. 

Und jetzt Sie!

Bleibt noch zu erwähnen, dass alle Geschichten durch liebevolle Illustrationen bebildert sind. Einziger Wermutstropfen an diesem Buch: nach 10 Geschichten ist Schluss. Man würde sich noch viel mehr Geschichten aus Frau Schmidt-Hackenbergs über 25-jährigem „Pflegeberufsleben“ wünschen. Aber vielleicht gibt „Humor und Herzlichkeit“ ja den Anstoß, Ihre eigenen Geschichten zu Papier zu bringen. Sie arbeiten in einer Pflegeeinrichtung? Wieso machen sie nicht ein Gemeinschaftsprojekt daraus? Sammeln Sie gemeinsam lustige Anekdoten, tippen Sie sie ab, vielleicht gibt es eine*n Künstler*in bei Ihnen im Heim, der ein paar Grafiken beitragen möchte – und schon ist das Werk druckfertig und kann in Buchform als Weihnachtsgeschenk Bewohner*innen und Angehörigen Freude bereiten.

Ute Schmidt-Hackenberg
Humor und Herzlichkeit
Geschichten aus dem Pflegealltag
November 2007, 24 Seiten, kart.
ISBN: 978-3-86630-042-2
Preis: 14,90 €


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Bildquelle Beitragsbild: © Aleutie / shutterstock.com

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.