ADHS: Wie Erzieher das dritte Standbein für verhaltensauffällige Kinder sein können

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ADHS – eine psychische Störung oder Modeerkrankung? Die Diskussionen, worum es sich bei dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) handelt, reichen Jahrzehnte zurück. Doch über die Antwort scheiden sich noch immer die Geister. Klar ist, die Symptome sind nicht erfunden. Und betroffene Kinder warten nicht, bis eine optimale Lösung gefunden ist. Was also können Eltern und Erzieher tun?

Die Häufigkeit der Diagnose ADHS hat sich in den letzten sechs Jahren in Deutschland verdoppelt. Da liegt der Verdacht nahe, dass es sich tatsächlich um eine Modekrankheit handelt – ein Freifahrtschein für die Eltern, die nicht mit ihrem Kind zurechtkommen und es ganz legal mit Medikamenten ruhigstellen dürfen und sogar sollen. Zugegeben, das ist ein sehr harter Vorwurf. Doch so lautet die Anschuldigung vieler, die nicht betroffen sind.

Regeln schaffen für Kinder (hier: Ampel-System)

Regeln schaffen für Kinder (hier: Ampel-System)

Modekrankheit hin oder her – die Symptome des ADHS gibt es zweifelsohne. Und da, wo sie auftreten, müssen die Beteiligten reagieren und zusammenarbeiten – Familie, Ärzte, Erzieher und Lehrer gleichermaßen. Damit dies gelingt, bedarf es einer breiten Aufklärung dieses Krankheitsbildes. Oft sind die Eltern überfordert, ein erster Verdacht schleicht sich ins Unterbewusstsein. Ihre ersten Fragen richten sie meist an die Erzieher: „Was stimmt nicht mit unserem Kind? Was haben wir falsch gemacht? Wie gehen wir mit dieser Situation um?“ Wenngleich die Familie den größten Einfluss auf das Kind hat, hilft zu Beginn oft eine emotionale Distanz, um die Situation objektiv beurteilen zu können. Erzieher bringen die erforderliche Erfahrung mit und können Eltern helfen, den für sie richtigen Weg zu finden. Doch auch neben der familienunterstützenden Aufgabe können Erzieher im Kita-Alltag im Umgang mit dem Kind enorm viel bewirken. Wir sagen Ihnen, wie.

8 Maxime für Erzieher von Kindern mit ADHS

  1. Pflegen Sie eine positive Beziehung zum Kind.
    Der Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern kann den Alltag eines Erziehers aber auch den der ganzen Gruppe sehr belasten. Mit der Zeit wird es auch als qualifizierter Pädagoge schwierig, unvoreingenommen zu reagieren. Bleiben Sie professionell. Führen Sie sich vor Augen, unter welch schwierigen Bedingungen das unter ADHS leidende Kind völlig alltägliche Probleme bewältigen muss. Einfaches stillsitzen, sich konzentrieren oder in einer Gruppe zu interagieren, können Höchstleistungen von ihm fordern. Rufen Sie sich in Erinnerung, welche Anstrengungen das Kind unter den gegebenen Bedingungen bereits vollbracht hat und geben Sie ihm immer wieder Rückmeldung über seine positiven Verhaltensansätze. Damit stärken Sie nicht nur Ihre positive Bindung zu dem Kind, sondern auch sein Selbstvertrauen.
  2. Sprechen Sie die Probleme offen in der Gruppe an.
    Für viele Kinder ist es schwierig, die Probleme und Anstrengungen eines verhaltensauffälligen Kindes zu verstehen. Deshalb ist es sinnvoll, diese Schwierigkeiten offen anzusprechen. So kann das Kind entlastet und mitspielende Kinder sensibilisiert werden. Es ist jedoch wichtig, dass Sie dieses Thema behutsam angehen und das Kind nicht in Verlegenheit bringen.
  3. Stellen Sie allgemeingültige Regeln auf.
    Schaffen Sie Regeln, die für alle Gruppenmitglieder gelten. Die Einhaltung dieser Regeln muss jedoch auch zu realisieren sein. Überlegen Sie sich positive Konsequenzen für die Einhaltung, aber auch negative für einen Verstoß dagegen. Indem Sie die Regeln zusammen mit allen Kindern in der Gruppe erarbeiten, gemeinsam auf einem Plakat gestalten und sichtbar positionieren, geben Sie ihnen das Gefühl, mitbestimmen zu können und motivieren sie, sich an diese Regeln zu halten. Die Kinder werden untereinander auf ihr Verhalten achten und sich an ihr gutes Benehmen erinnern. Darüber hinaus geben Sie den Kindern mit der Diagnose ADHS das Gefühl der Zugehörigkeit. Für dieses sollten ein bis maximal zwei Zusatzregeln gelten, bei deren Beachtung auch gesonderte Konsequenzen folgen. Diese sollten natürlich auf sein besonderes Verhalten ausgerichtet sein, wie beispielsweise die Konzentration. Bei offener Kommunikation werden auch alle anderen Gruppenmitglieder Verständnis für diese Sonderregeln zeigen.
  4. Bringen Sie Struktur und Abwechslung in das Gruppenspiel.
    Einem Kind mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Störung fehlt es häufig an einer Selbststeuerung. Deshalb ist es wichtig, ihm diese Steuerung von außen zu geben. Ein strukturierter Ablauf hilft ihm, die Konzentration länger aufrechtzuerhalten. Gestalten Sie deshalb die geplanten Spiel- und Lerneinheiten im Kita-Alltag kompakt und kurz. Der Lerneffekt und das Erfolgserlebnis werden dem Kind sehr gut tun.
  5. Nutzen Sie jede freie Minute mit dem Kind für Bewegung an der frischen Luft!
    Was lange bekannt war, bestätigte nun eine Studie an der US-University of Illinois: Frische Luft fördert die Konzentrationsfähigkeit. Und zwar insbesondere bei Kindern mit einem diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. An ADHS leidende Kinder, die vor einem einfachen Konzentrationstext einen etwa 20-minütigen Spaziergang in der Natur machten, schnitten teils sogar besser ab, als mit Medikamenten behandelte Kinder.
    Doch es ist nicht die frische Luft allein, die sich positiv auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Auch die Bewegung spielt eine erhebliche Rolle. Denn wie sagt noch der Volksmund? Nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Bewegung an frischer Luft sorgt für physischen sowie psychischen Ausgleich.
  6. Loben Sie das Kind!
    Ein Kind mit ADHS wird, insbesondere vor der Diagnose, häufig kritisiert, gemaßregelt und nicht selten von anderen Kindern geärgert oder ausgeschlossen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es bei allem, was es gut macht, gelobt wird –häufig und unmittelbar. Das gibt ihm nicht nur ein gutes Gefühl, sondern es wird auch selbstsicherer und zeigt ihm, dass es auf dem richtigen Weg ist. Eine Möglichkeit, seine Erfolge zu visualisieren, ist ein Bilder- beziehungsweise Punkte-System, bei dem die gesammelten Punkte in spezielle Gegenleistungen eingetauscht werden können. Sie werden staunen, welche Anreize zusätzliche Spielzeiten haben können!
  7. Handeln Sie konsequent!
    Genauso, wie auf eine Regeleinhaltung eine positive Konsequenz folgt, sollte ein Regelverstoß eine negative nach sich ziehen – und zwar unmittelbar darauffolgend. Kinder mit ADHS reagieren im Gegensatz zu anderen Kindern nicht auf verzögerte oder nur gelegentlich angewandte Erziehungsmaßnahmen, weshalb konsequentes Verhalten enorm wichtig ist. Zugegeben, oft sind spontane Konsequenzen schwierig umzusetzen. Doch wenn Sie sich vorher darüber im Klaren sind, welche Konsequenzen sie in welchen Situationen anwenden, und diese dann auch organisieren – wie beispielsweise die Aufsicht bei einem Ausschluss aus der Gruppe – werden Sie erfolgreich sein.
  8. Bleiben Sie in engem Austausch mit den Eltern!
    Trotz der vielen Möglichkeiten, die Erzieher im Umgang mit ADHS-Kindern haben, ist der enge Kontakt mit der Familie unumgänglich. Er hilft häufig, Eltern und Kind besser zu verstehen und macht einen gemeinsamen Lösungsweg erst möglich. Die Auffälligkeiten des Kindes sind in der Regel in der Einrichtung stärker, da die äußeren Reize und die Anforderungen viel größer sind. Geben Sie der Familie Tipps, wie sie am besten mit dieser Situation umgehen kann, ohne Vorwürfe anzudeuten. Bieten Sie Informationsmaterial an oder empfehlen Sie, soweit Sie es für notwendig halten, einen Kinderpsychotherapeuten oder -psychiater. Allem voran jedoch steht die Zusammenarbeit der Mitmenschen des Kindes.

Weiterbildung zu ADHS nach der Erzieher-Ausbildung

ADHS als Krankheit ist noch lange nicht gänzlich erforscht. Auch die Therapiemethoden, insbesondere die medikamentöse Behandlung von Kindern, stehen verständlicherweise stark in der Kritik. Doch die Möglichkeiten, den an dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom leidenden Kindern aus pädagogischer Sicht zu helfen, sind vielfältig. Neben der Erzieher-Ausbildung selbst gibt es Fort- und Weiterbildungen, die sich auf diese und ähnliche Krankheitsbilder spezialisiert haben. Heilerziehungspfleger, Integrationspädagogen oder ADHS-Trainer sind nur einige davon.

Alles in allem ist es wichtig, die Symptome ernst zu nehmen, mit Angehörigen und Erziehern zu sprechen und auf die Probleme aufmerksam zu machen. Denn dem sogenannten Zappel-Phillip ist mit dem Ignorieren der Anzeichen genauso wenig geholfen wie mit einer zu voreiligen Diagnose.

Übrigens: Die Euro Akademie bietet Ihnen zahlreiche Weiterbildungen für pädagogische Fachkfräfte an. Oder interessieren Sie sich erstmal für eine Ausbildung zum Erzieher, zum Sozialassistenten oder Heilerziehungspfleger?

Die Mitarbeiter an den Standorten der Euro Akademie beraten Sie gerne.

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Quellen:

  1. http://www.adhs-deutschland.de/Home/ADHS/Informationen-zum-Krankheitsbild-ADHS.aspx
  2. http://www.zentrales-adhs-netz.de/fuer-paedagogen.html
  3. http://www.adhs.info/fuer-paedagogen/allgemein-interventionen/was-koennen-paedagoginnen-und-paedagogen-selbst-tun.html

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