Tränen lügen nicht

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Tränen können ganz schön viel über uns verraten. Manchmal sollen sie das aber gar nicht. Insbesondere vor den Kolleg*innen möchten wir uns lieber nicht emotional entblößen. Warum verlieren wir aber nicht nur hinter verschlossenen Türen die Kontrolle über unsere Gefühle und was bedeutet das für die Karriere, wenn wir am Arbeitsplatz das Taschentuch zücken müssen?

Der Kunde schreit am Telefon, weil der Liefertermin wieder mal nicht eingehalten wird? Zu Hause läuft es auch gerade nicht so gut? Dann knallt die Chefin auch noch lautstark einen Stapel Rechnungen zum Verbuchen auf Ihren Schreibtisch, der nicht nur Ihren schiefen Aktenturm zum Wanken bringt, sondern auch Ihr emotionales Gleichgewicht? Es gibt unzählige Gründe für einen emotionalen Dammbruch im Job. Sie reichen von privaten Schwierigkeiten, persönlichen Schicksalsschlägen über zu hohe berufliche Anforderungen, anstrengende Kund*innen bis hin zu unfairem Verhalten von Vorgesetzten oder Mobbing durch die Kolleg*innen. Und dann ist es plötzlich so weit: Die Tränen kullern, die Nase schnieft, der Mund schluchzt. Wir können nichts tun, sondern sind uns selbst schutzlos ausgeliefert.

Schwach, unprofessionell und instabil?

Schutzlos deshalb, weil uns Gefühlsausbrüche am Arbeitsplatz angreifbar machen. Häufig wird es als Schwäche verbucht, im Job emotional zu reagieren. Es ist selbst in einem Zeitalter, in dem allerorten Achtsamkeit propagiert wird, immer noch ein Zeichen von mangelnder Professionalität und Stabilität. Mitarbeiter*innen, die weinen, sind einfach nicht belastbar. Wie soll Frau Müller das neue Projekt wuppen, wenn sie schon bei der leichtesten Kritik ihrer Vorgesetzten in Tränen ausbricht? Soll man Herrn Meyer, der erst kürzlich von seinem langjährigen Partner verlassen wurde und seitdem oft mit verquollenen Augen auf seinen Bildschirm starrt, wirklich auch noch die neue Produktpräsentation aufbürden?

Mensch oder Maschine

Nun ja – sagen wir mal so: Mensch oder Maschine? Menschen bringen nun mal neben ihren Fähigkeiten und Qualifikation auch ihr Menschsein mit in den Job. Und wir haben alle nicht immer nur gute Tage. Natürlich ist es betriebswirtschaftlich bedenklich, wenn die Leistungen eines*r Mitarbeiter*in unter seinen*ihren emotionalen Achterbahnfahrten leiden – und das permanent. So lange es kein Dauerzustand ist, sollten Chefs ihren Mitarbeiter*innen aber auch das Äußern von Gefühlen zustehen. Denn ob Roboter, die zwar im Pflegebereich bereits eingesetzt werden, die besseren Mitarbeiter*innen sind, sei dahingestellt. Halten wir fest: Wir alle sollten versuchen, unsere Emotionen im Rahmen zu halten. Große Gefühle gehören nicht an den Arbeitsplatz – es sei denn, Sie sind Schauspielerin und haben heute Ihren großen Bühnenauftritt als Julia. Apropos Schauspieler*in: Mit Krokodilstränen den*die Chef*in zu manipulieren und auf diese Weise Fehler zu kaschieren, ist nicht die feine englische Art. Abgesehen davon kann das Zugeben von Fehlern auch positive Effekte haben.

Notfallplan für Heulsusen

Aber zurück zu den Gefühlausbrüchen am Arbeitsplatz. Sollten Sie trotz aller Professionalität einmal Gefühle von Überforderung, Trauer oder Wut übermannen, können Sie mit folgenden Tricks gegen Ihre Gefühlswirren ankämpfen:

  • Ziehen Sie sich zurück und beruhigen Sie Ihre Nerven! Das geht nicht nur hinter verschlossenen Toilettentüren, sondern auch gut bei einem Spaziergang. Vielleicht haben Sie einen Park in der Nähe? Dann nichts wie raus mit Ihnen an die frische Luft!
  • Denken Sie an etwas anderes! Sie schaffen es nicht gleich, den Gedankenkreislauf zu unterbrechen? Dann kühlen Sie Ihr Gesicht mit Wasser und versuchen mit speziellen Atemtechniken zur Ruhe zu kommen!
  • Nehmen Sie die Hilfe von Kolleg*innen an! Bestimmt tut es Ihnen gut, Zuspruch und Verständnis für Ihre Probleme zu bekommen.
  • Ist Ihre Aufregung durch einen Konflikt entstanden? Dann suchen Sie ein klärendes Gespräch mit dem*der Kolleg*in! Das muss nicht sofort sein. Manchmal ist es sogar besser, erst darüber zu sprechen, wenn sich die Gemüter ein bisschen beruhigt haben. Dennoch sollten Sie die Quelle des Ärgernisses langfristig versiegen lassen. Es ist sonst nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder aufsprudelt.
  • Um nicht hinterher als „Heulsuse“ dazustehen: Erklären Sie sich denjenigen, die Sie Weinen gesehen haben! Dabei empfehlen Wirtschaftspsycholog*innen das sogenannte Re-Framing. Dabei deuten Sie Ihr vermeintlich negatives Verhalten positiv um. Betonen Sie, dass Sie Ihre Arbeit eben mit „Leidenschaft“ machen und vermeiden Sie tunlichst, sich damit zu entschuldigen, dass Sie eben ein „emotionaler“ Mensch sind!

Schokolade ist die Lösung für alles

Oftmals ist es noch schlimmer als selbst zu weinen, eine*n Kolleg*in oder Ihre*n Mitarbeiter*in weinen zu sehen. Anstatt hilflos zuzuschauen, können Sie den*die andere*n mit folgenden Maßnahmen unterstützen:

  • Zunächst hilft es, einfach für die Person da zu sein, sie zu trösten und ihr Mut zu machen. Aufmunternde Worte sollten zumeist reichen. Wenn Sie ein gutes Verhältnis zueinander pflegen (aber wirklich nur dann!), können Sie auch eine Hand auf die Schulter des*der Weinenden legen.
  • Fragen Sie nach, was los ist! Zum einen zwingt das den*die Weinenden, seine*ihre Gedanken zu ordnen. Zum anderen kennen Sie dann den Grund des Gefühlsausbruchs.
  • Wenn Sie wissen, was die Ursache für die Tränen sind, können Sie nach Lösungen suchen. Vielleicht können Sie dem*der Kolleg*in ein wenig von seiner*ihrer Arbeit abnehmen und ihn*sie so entlasten?
  • Achten Sie dennoch auch darauf, sich nicht von den Emotionen anstecken zu lassen! Es ist wichtig, dass Sie einen gewissen Abstand wahren.
  • Wenn Sie merken, dass dem*der Kolleg*in das Gefühlchaos peinlich ist, schließen Sie nach Möglichkeit die Bürotür!
  • Außerdem können Sie ein Taschentuch reichen oder ein Glas Wasser einschenken. Und wenn alles nichts hilft: Zücken Sie die Notfalltafel Schoki aus der Schublade!

Japan und die „hübschen Heul-Herren“

Noch ein Fun-Fact zum Schluss: In Japan werden seit einigen Jahren Seminare für Firmen angeboten, in denen die Mitarbeiter*innen einer Abteilung gemeinsam weinen können. Die „Ikemeso Danshi“ (zu Deutsch etwa „hübsche Heul-Herren“) animieren ihre Kund*innen zum Tränenausbruch. Ähnlich des griechischen Rituals „Katharsis“ zur Reinigung der Seele soll das gemeinsame Tränenvergießen das Team enger zusammenschweißen. Vielleicht sollten wir auch in Europa unsere Einstellung zu Emotionen am Arbeitsplatz überdenken? Denn: Tränen lügen nicht.

Sie möchten auch, dass Ihr Team enger zusammenwächst – aber ohne dass dabei Tränen fließen? An der Euro Akademie Görlitz gibt es das passenden Seminar für Sie.

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.