Kinder, Gefühle und das Achtsamkeitstagebuch

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Unsere Gefühle haben uns oft ganz schön im Griff und selbst wir Erwachsenen wissen dann nicht, wie wir mit unseren starken Emotionen umgehen sollen. Zum Glück gibt es tolle Hilfsmittel, mit denen schon die Kleinsten lernen können, ihre Gefühle zu verstehen.

Sicher sind auch Sie schon einmal über die handlichen Heftchen des Kinderbuchautors Roger Hargreaves gestolpert. Lustige Charaktere hat sich der Engländer da ausgedacht: Mister Glücklich, Miss Sonnenschein, Mister Fröhlich und Miss Kicher lachen uns in bunten Farben und mit freundlichen Gesichtsausdrücken vom Cover an. Aber es ist nicht immer eitel Sonnenschein bei den kleinen Herren und Damen. Genauso wie es die fröhlichen Personen gibt, gibt es auch die schlecht gelaunten: Mister Griesgram, Miss Böse, Mister Motz und Miss Sorge schauen nicht mehr ganz so fröhlich drein – haben aber auch ihre Berechtigung.

Frühe Förderung 

„Unsere kleinen Damen und Herren“, wie die Reihe auf Deutsch heißt, sind Metaphern auf menschliche Charakterzüge, Eigenschaften und Launen. Wir alle tragen Teile von ihnen in uns, verhalten uns an einem Tag überheblich wie Herr Hochnäsig, und sind am nächsten wieder kollegial wie Hille Hilfsbereit. Gerade Kinder und Säuglinge sind ihrer Launenhaftigkeit und ihren Gefühlen jedoch oft noch hilflos ausgeliefert. Sie wissen ihre Emotionen weder zu benennen, noch mit ihnen umzugehen. Deshalb ist es wichtig, die emotionale Entwicklung der kleinen Giftzwerge und süßen Zuckerschnecken aktiv zu fördern. Und damit können Eltern und Erzieher*innen eigentlich nicht früh genug beginnen.

Die emotionale Entwicklung 

Gefühle sind unsere Reaktionen auf äußere Reize. Wir beurteilen damit, was wir wahrnehmen, und reagieren körperlich darauf. Ein kleines Kind, das sein Lieblingsspielzeug abgenommen bekommt, wird zunächst Trauer oder vielleicht sogar Wut darüber empfinden. In einem zweiten Schritt zeigt es entsprechende Emotionen: Es weint oder beginnt zu toben. Freude, Ärger, Trauer oder Furcht sind die ersten Gefühle, die ein Baby bereits in seinem ersten Lebensjahr empfinden kann. In dieser Zeit lernt es auch, Gemütsbewegungen bei anderen zu deuten. Es erkennt, worauf jemand freudig oder ärgerlich reagiert.

Trotzphase 

Gerade in der Zeit nach dem ersten Geburtstag lernen Kinder, mit Frustration umzugehen. Helikopter-Eltern kennen die schmerzlichen Zurückweisungen der „Selber-Fraktion“. Die kleinen Forscher*innen möchten nun alles selbst machen, selbst ausprobieren, selbst tun. Doch der Wunsch nach Eigenständigkeit hat seine Schattenseiten. Da es mangels Erfahrung ohne fremde Hilfe noch nicht jedes Mal so gut klappt, kommt es häufiger zu Enttäuschungen und Frustration. Doch wer wird denn schon gleich aufgeben? So reihen sich Versuch, Frustration, neuer Versuch und dann schon auch mal hin und wieder ein kleiner Erfolg aneinander. Ein Wechselbad der Gefühle. Die Autonomiephase wird nicht umsonst auch Trotzphase genannt.

Das Kind und die Gemeinschaft 

Ab dem zweiten Lebensjahr kommen noch weitere Empfindungen wie Stolz, Scham, Schuld, Neid, Verlegenheit und Mitleid hinzu. Diese bilden sich vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden sozialen Kontakte und der geistigen Entwicklung aus, denn wir definieren uns als soziale Wesen  innerhalb einer Gemeinschaft („zoon politikon“ nannten es bereits die antiken griechischen Philosophen).

Wackelzahnpubertät 

Auf die Trotzphase folgt in aller Regel die sogenannte Wackelzahnpubertät. Sie dauert etwa vom fünften bis zum elften Lebensjahr und ist von weiterem Gefühlschaos und heftigen Wutausbrüchen geprägt. Wut und Trauer, aber auch Freude und unendliche Liebe wechseln sich ab. Für alle Beteiligten eine echte Herausforderung!

Gefühlstagebücher – auch für Kinder

Ratgeberliteratur, wie Eltern die starken Gefühle der eigenen Kinder in den Griff kriegen, gibt es in Buchläden und im virtuellen Schaufenster des Onlineriesen zuhauf. In den letzten Jahren hat sich aber eine neue Sparte Bücher entwickelt: Gefühlstagebücher. Die gibt es sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Psychotherapeut*innen sind begeistert und empfehlen die Bücher ihren psychisch angeschlagenen Patient*innen.

Ein guter Plan

Neben dem Platzhirschen „Klarheit“ ist „Ein guter Plan“ einer der bekanntesten Anbieter. Nach eigenen Angaben richten die Bücher ihren „Fokus auf Achtsamkeit, Selbstliebe und Burnout-Prävention“. Die Firmengründer*innen Jan Lenarz und Milena Glimbovski wissen, wovon sie reden, denn die Idee für das Achtsamkeitstagebuch kam den beiden in schwierigen Lebensphasen. 2015 hatten sie die Idee eines Notizbuches, das einen täglich begleitet und daran erinnert, welche Ziele man in seinem Leben verfolgt, und prüft, ob man beim Verfolgen dieser Zeile auch seine eigene Gesundheit nicht aus dem Blick verliert. Dabei setzen die Autorin und der Autor nicht auf esoterische Ratgebersprüche, sondern regen zur Selbstreflexion an.

Ein gutes Gefühl

Für Kinder zwischen sechs und elf Jahren gibt es nun ein eigenes Tagebuch namens „Ein gutes Gefühl“. Schon der Titel deutet darauf hin, dass bei dem Buch weniger die Lebensziele als der Umgang mit sich selbst im Mittelpunkt stehen. Menschenkinder, die ganz am Anfang ihres Lebens stehen, sollen die wichtigsten Werkzeuge der mentalen Gesundheit bereits dann lernen, wenn der Burn-Out noch einige Lebens- und Arbeitsjahre entfernt liegt. Und im Idealfall kommt es dadurch gar nicht erst zu einem mentalen Zusammenbruch – weil die Gefühls- und Achtsamkeitsexpert*innen ja wissen, wie man auf seine psychische Gesundheit achtgibt und seine Gefühle als Körperkompass nutzt. Im Buch werden die zwanzig wichtigsten Gefühle dargestellt. Jeden Abend anzukreuzen, welche dieser Emotions-Monster im Tagesverlauf angeklopft haben, wird schnell zur wertvollen Routine und hilft bei der Verarbeitung der Eindrücke. Dieses Ritual schafft für Eltern und Erzieher*innen auch den Raum, um über Bedrückendes zu sprechen. Zusätzlich gibt es Platz für das Pflegen eines Tagebuchs und das Üben von Dankbarkeit.

The Happy Self Journal

Die Britin Francesca Geens war vor allem von der Sorge um ihre Kinder getrieben, als sie 2017 zusammen mit Expert*innen aus dem Bereich Psychologie und Erziehung ein Tagebuch für Kinder (sechs bis zwölf Jahre) und eins für Teenager und Erwachsene (älter als zwölf Jahre) entwickelte. Die Inhalte des „Happy Self Journal“ basieren auf wissenschaftlich nachgewiesenen Methoden, die das Glücklichsein fördern, positive Gewohnheiten stimulieren und die Neugier beflügeln. Die Nutzer*innen mögen vor allem die kreativen Illustrationen. Die Bücher sind leicht zu benutzen und regen die Kinder und jungen Erwachsenen in nur wenigen Minuten täglich dazu an, Dankbarkeit auszudrücken, sich mit ihren Emotionen auseinanderzusetzen und über ihr Verhalten nachzudenken. Das Resultat: besserer Schlaf, weniger Angstgefühle, größere Verbundenheit, bessere Kommunikation, mehr Freundlichkeit und eine positivere Lebenseinstellung. Mit „My First Happy Self Journal“ liegt nun auch ein Buch für die ganz Kleinen vor – allerdings aktuell nur in englischer Sprache: Schon Kindergartenkinder zwischen drei und fünf Jahren werden damit an das Thema Gefühle und Achtsamkeit herangeführt. Bleibt nur zu hoffen, dass es dieses kleine gelbe Büchlein auch bald in einer deutschsprachigen Version gibt.

Bildquelle Beitragsbild: ©ranaraya/shutterstock.com

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.